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Selbs Mord

Selbs Mord

Titel: Selbs Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schlink
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und Welker mit verzweifelter Geduld.
    Ich war fertig. »Ich habe die Straßburger Spur aufgenommen und kann sie verfolgen, kann es aber auch lassen. Ihnen ist der stille Teilhaber nicht mehr so wichtig?«
    Welker versicherte, ihm sei an der Suche nach dem stillen Teilhaber unverändert gelegen. »Lassen Sie mich Ihnen einen weiteren Scheck ausschreiben. Straßburg wird nicht billig werden.« Er holte Scheckbuch und Füllfederhalter aus der Innentasche der Jacke und schrieb.
    »Herr Selb, es scheint, daß Schuler Zugang zur Bank hatte und Geld genommen hat.« Samarin beugte sich im Sessel vor und fixierte mich. »Er hat das Geld bei Ihnen deponiert, und …«
    »Er hat mir einen Koffer gebracht, und ich lasse ihn verwahren. Ich weiß nicht, ob ich ihn den Erben oder der Polizei geben soll. Ich weiß nicht einmal, wer die Erben sind und wie Schuler zu Tode gekommen ist.«
    »Er hatte einen Autounfall.«
    »Jemand hat ihm einen tödlichen Schrecken eingejagt.«
    Samarin schüttelte den Kopf. Er tat es langsam, schwerfällig, und mit dem Schütteln des Kopfs wiegte er den Oberkörper hin und her. »Herr Selb«, er preßte die Worte heraus, »etwas zu nehmen, was einem nicht gehört, tut einem nicht gut.«
    »Aber, aber …«, begütigte Welker, warf irritierte Blicke auf Gregor und auf mich und gab mir den Scheck. »Sie müssen verstehen. Herr Schuler war vor Jahrzehnten unser Lehrer, ein guter Lehrer, und das vergessen wir nicht. Sein Tod hat uns getroffen und der Verdacht wegen des Geldes auch. Ich glaube zwar nicht …«
    Samarin brauste auf. »Du glaubst, was …«
    »… was du sagst?« Einen Augenblick lang sah Welker Samarin und mich triumphierend an.
    Samarin war so wütend, daß er beim Aufstehen beinahe den schweren Sessel umwarf. Aber er beherrschte sich. Langsam und drohend sagte er: »Herr Selb, Sie hören von mir.«
    Ich ging am Schloßpark entlang zu Schulers Haus. Ich verstand nicht, worüber Welker triumphiert hatte. Und warum das verschwundene Geld ihn viel weniger zu beunruhigen schien als Samarin. Was immer mit den gebrauchten Fünfzig- und Hundertmarkscheinen nicht stimmte, ob Schuler sie genommen hatte oder nicht – eigentlich mußte es den Chef nervöser machen als den Gehilfen, auch wenn der Gehilfe fürs Praktische zuständig und anmaßend und aufbrausend war. Oder spielten sie mit mir eine Variante des Good-cop-bad-cop-Spiels? Aber dann hätte Samarin explodieren können, statt sich zu beherrschen.
    Ich sah mich um, aber niemand folgte mir, weder mein falscher Sohn noch ein blauer Mercedes. Die Frau, die aufmachte, war Schulers Nichte. Sie hatte geweint und heulte wieder los, kaum daß sie redete. »Er stank und hat gequengelt und genörgelt. Aber er war so ein lieber Mensch, so ein lieber Mensch. Alle haben es gewußt, und seine Schüler haben ihn gemocht und besucht, und er hat ihnen geholfen, wo er nur konnte.« Sie selbst war eine ehemalige Schülerin, und auch ihr Mann war ein ehemaliger Schüler; sie hatten sich kennengelernt, als sie Schuler zufällig gleichzeitig besuchten.
    Wir saßen in der Küche, die sie ein bißchen aufgeräumt und geputzt hatte. Sie hatte Tee gemacht und bot mir eine Tasse an. »Zucker gibt’s nicht. Das habe ich immerhin erreicht. Mit dem Alkohol hat er sich ja nichts sagen lassen.« Der Gedanke daran trieb ihr die Tränen in die Augen. »Lange hätte er’s nicht mehr gemacht, aber das macht’s nicht besser, verstehen Sie? Es macht es nicht besser.«
    »Was sagt die Polizei?«
    »Die Polizei?«
    Ich erzählte ihr, daß ihr Onkel seinen Unfall vor meiner Tür hatte. »Ich bin gleich nach Schwetzingen gefahren, um es Ihnen zu sagen, aber da war schon die Polizei.«
    »Ja, die Mannheimer haben die Hiesigen benachrichtigt, und die sind hier vorbeigekommen. Es war Zufall, daß ich gerade im Haus war. Ich komme nicht jeden Tag, er will … ich meine, er wollte …« Wieder weinte sie.
    »Hat die Polizei sonst was gesagt oder von Ihnen wissen wollen?«
    »Nein.«
    »Als Ihr Onkel kurz vor dem Unfall bei mir war, war er in schlimmer Verfassung. Als stünde er unter Schock, als hätte ihn etwas furchtbar erschreckt.«
    »Warum haben Sie ihn fahren lassen?« Sie sah mich aus verheulten Augen vorwurfsvoll an.
    »Es ging alles viel zu schnell. Ihr Onkel … er war noch gar nicht da und schon wieder weg.«
    »Sie hätten ihn doch festhalten können, ich meine, Sie hätten …« Sie kramte ein Taschentuch hervor und putzte sich die Nase. »Entschuldigen Sie, ich weiß, wie

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