Selbs Mord
fragte ihn nach der russischen Mafia, und er zuckte mit den Schultern. »Wissen Sie, was mir neulich jemand von RTL gesagt hat? Die privaten Sender suchen Stoffe für Filme wie der Teufel die arme Seele, aber womit man dem Publikum auf keinen Fall kommen darf, ist die russische Mafia. Nicht weil es sie nicht gäbe. Aber sie hat kein Niveau und keinen Stil, keine Tradition und keine Religion – nichts von all dem, was man bei den Italienern mag. Sie ist nur brutal.« Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Auch da hat der Kommunismus jede Kultur zerstört.«
Als ich mit Brigitte nach Hause aufbrach, war Ulbrich verschwunden. Ich hoffte, daß es die Scheinwerfer seines Fiesta waren, die ich auf der Heimfahrt im Rückspiegel sah. Wenn nicht, dann wußten sie jetzt, daß es Brigitte gab.
17
Der schwarze Koffer
Nachts lag ich wach. Sollte ich den schwarzen Aktenkoffer Samarin bringen? Oder der Polizei und mich dabei versichern, daß die im blauen Mercedes mir folgten und sähen, was ich tat? Oder sollte ich ihn an der Laterne vor meinem Büro abstellen, wenn sie ein paar Autos weiter parkten, und warten, bis sie aussteigen, ihn sich holen und davonfahren würden? Raus aus meinem Leben?
Als ich Nägelsbach am Morgen anrief, war er verkatert. Es war nicht einfach, ihm zu erklären, was ich von ihm wollte. Als er es schließlich begriff, war er empört. »In der Polizeidirektion Heidelberg, in der ich mein ganzes Leben …« Er legte auf. Eine halbe Stunde später rief er wieder zurück. »Wir können es im Polizeipräsidium Mannheim machen. Die kennen mich, und ich kann da gut eine Weile im Hof parken. Um fünf, sagten Sie?«
»Ja, und sagen Sie Ihrer Frau vielen Dank.«
Er lachte. »Sie hat ein gutes Wort für Sie eingelegt.«
Ich packte nicht viel ein. Es mußte in den schwarzen Koffer passen. Ich brauchte auch nicht viel. Mehr als ein paar Tage sollten es nicht werden.
Turbo spürte, daß ich verreisen wollte. Die Nachbarn würden sich um ihn kümmern, aber er schmollte und verschwand – wie kleine Kinder, die sich verstecken, wenn sie merken, daß Mama oder Papa zu einer Reise aufbrechen.
Ich nahm meine Sachen und fuhr bei Brigittes Massagepraxis im Collini-Center vorbei. Ich mußte warten und las in einem alten Stern über einen neuen Film, in dem ein junges Ossi-Paar vor der Vereinigung, aber nach Einführung der DM in der DDR wie Bonnie und Clyde die alten, schlecht gesicherten Banken überfällt und die neue Währung stiehlt. Bis sie es zu wild treiben, die Berliner Banken auszurauben beginnen und erschossen werden.
Als Brigitte ihre Patientin verabschiedet hatte, setzte sie sich zu mir. »Gleich kommt die nächste, Gott sei Dank. Die Gesundheitsreform hat mir ein Drittel meiner alten Patienten genommen, und neue zu finden, die kommen, auch ohne daß die Kasse zahlt, ist nicht leicht.«
Ich nickte.
»Ist was passiert?«
»Ich muß für ein paar Tage weg. Mein Fall kommt hier nicht vom Fleck, vielleicht anderswo. Außerdem ist mir hier nicht ganz geheuer. Wenn dich jemand nach mir fragt, kannst du das auch so sagen.«
Sie stand auf und schaute verletzt. »Das Skript kenne ich doch. ›Was ist?‹ fragt sie ihn. ›Nichts‹, sagt er und schaut mit steinernem Gesicht aus dem Fenster in die Dämmerung. Dann dreht er sich um und sieht ihr tief in die Augen. ›Es ist besser so, Kleines. Es ist besser, du weißt von nichts. Ich will nicht, daß sie auch hinter dir her sind!‹«
»He, Brigitte! Ich erkläre es dir, wenn ich wiederkomme. Natürlich kannst du wissen, was ich weiß. Aber jetzt ist es besser, wenn du es nicht weißt. Glaub mir!«
»›Trau mir, mein Schatz.‹ Er sieht sie ernst an. ›Ich muß jetzt für uns beide denken.‹« Es klingelte. Brigitte ging zur Tür. »Paß halt auf dich auf!«
Nicht weit von meinem Büro fand ich einen Parkplatz auf der Augustaanlage. Als ich ausstieg und ins Büro ging, sah ich den blauen Mercedes nicht. Ich holte den schwarzen Koffer hervor und schüttete die Geldscheine in eine Mülltüte. Unter dem Schreibtisch standen der größere Topf und der Beutel mit Erde, die ich schon vor langem besorgt hatte, um meine größer gewordene Zimmerpalme umzutopfen. Ich bettete die Mülltüte im neuen Topf unter die Palme. So bekam die Palme zwar nicht ganz so viel Erde unter den Wurzeln, wie ich ihr ursprünglich zugedacht hatte. Aber wenn es ihr nicht paßte, sollte sie eingehen. Ich habe sie nie gemocht.
Mein Reisegepäck verstaute ich im Koffer. Als ich damit aus
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