Selbs Mord
legte seine Hand auf meinen Arm. »Ich war, ehrlich gesagt, auch nicht sicher, ob es Ihnen ernst ist mit der Polizei. Ich bin nicht vom Fach, ich verstehe nichts vom Recht. Aber war alles koscher, was wir gemacht haben? Was Sie und Ihre Freunde gemacht haben? Wie geht es übrigens dem Polizisten?«
»Er kommt wieder auf die Beine.«
»Gerade bei ihm wußte ich nicht, was wird. Pensionierter Polizeibeamter sieht rot – gibt das ein Disziplinarverfahren? Die Aberkennung der Pension? Ich habe die Verantwortung nicht alleine tragen wollen, und darum rede ich mit Ihnen. Ich weiß auch nicht, ob wir sie zusammen tragen können, ohne mit dem Polizisten zu sprechen. Wann, meinen Sie, können wir mit ihm reden?«
»In ein paar Tagen.« Philipp schüttelte den Kopf. »Sie glauben doch nicht, daß wir uns raushalten können. Wir sind schon vier, und dann haben noch Füruzan, ihre Kollegin, die Nachtschwester und Frau Nägelsbach was mitgekriegt, und wer weiß, ob nicht jemand unser Auto hat ankommen und wegfahren sehen oder Gerd und mich mit dem verwundeten Nägelsbach. Und daß Gregor in Ihrer Bank gearbeitet hat, hat die Polizei im Handumdrehen raus. Was wollen Sie ihr dann sagen?«
»Die Wahrheit. Daß er mit der russischen Mafia zu tun hatte, daß er meine Bank für Geldwäsche zu mißbrauchen versucht hat, daß er Menschenleben auf dem Gewissen hat und daß … daß ihm schließlich alles aus dem Ruder gelaufen ist.«
Philipp hatte Frau Nägelsbach nach dem guten Ausgang der Operation angerufen. Jetzt stand sie vor uns und musterte uns. »Wer hat auf ihn geschossen?«
»Samarins Leute.«
»Warum?«
»Samarin ist erschossen worden.«
»Von wem?«
»Wir überlegen gerade, was wir zu den polizeilichen Ermittlungen eigentlich beitragen können und sollen.« Welker sah Frau Nägelsbach rat- und hilfesuchend an. »Und ob Ihr Mann glücklich ist, wenn die Polizei … und die Öffentlichkeit …«
Sie las in Welkers Gesicht, daß er Samarin erschossen hatte. Sie sah ihn an und schüttelte den Kopf. Dann sagte sie zu Philipp: »Bring mich zu ihm. Ich will bei ihm sein, wenn er aufwacht.«
Sie gingen. Welker wollte noch bleiben. »Ich warte auf Ihren Freund. Was immer der Patient braucht – die Kosten spielen keine Rolle, es soll ihm an nichts fehlen. Sie müssen mir glauben: Daß er den Schuß abbekommen hat, tut mir furchtbar leid.« Er sah mich an, als tue es ihm wirklich furchtbar leid.
Ich nickte.
8
Ein sensibles Kerlchen
Ich trat vors Krankenhaus und hoffte, am Stand eine Taxe zu finden. Aber es war noch zu früh am Morgen.
Jemand kam auf mich zu. Zuerst erkannte ich ihn nicht. Es war Karl-Heinz Ulbrich. »Kommen Sie, ich fahre Sie nach Hause.«
Ich war zu krank und zu müde, um abzulehnen. Er führte mich zu seinem Auto – kein beiger Fiesta mehr, sondern ein hellgrüner Polo. Er hielt die Beifahrertür auf, bis ich saß. Die Straßen waren leer, aber er fuhr nicht schneller als erlaubt.
»Sie sehen schlecht aus.«
Was sollte ich sagen.
Er lachte. »Kein Wunder bei den vierundzwanzig Stunden, die Sie hinter sich haben.«
Ich sagte wieder nichts.
»Am Wasserturm – das hat mir imponiert. Aber im Park haben Sie mehr Glück als Verstand gehabt.«
»Sie sind wirklich nicht mein Sohn. Sie mögen der Sohn meiner gestorbenen Frau sein, aber ich bin nicht Ihr Vater. Als Sie … als Sie gezeugt wurden, war ich in Polen, weit weg von meiner Frau.«
Aber er ging nicht darauf ein. »Vermutlich wissen Sie es inzwischen schon – die im blauen Mercedes sind Russen. Sie kommen aus Moskau und sind seit zwei oder drei Jahren in Deutschland, zuerst in Berlin, dann in Frankfurt und jetzt hier. Ich habe russisch mit ihnen geredet, aber sie sprechen nicht schlecht deutsch.«
»Das Beschatten hat man Ihnen wirklich phantastisch beigebracht.«
»Es war immer meine Spezialität. Begreifen Sie jetzt, daß wir ein gutes Team wären?«
»Wir ein Team? Mir kommt’s vor, als würden Sie eher gegen mich arbeiten als für mich.«
Er war gekränkt. »Sie lassen mich ja nicht. Außerdem ist es immer gut, mehr zu wissen.«
Ich wollte ihn nicht kränken. »Es geht nicht um Sie. Ich will kein Team. Ich habe nie eines gewollt, nie eines gehabt, und jetzt, auf meine alten Tage, fange ich auch nicht mehr damit an.« Dann dachte ich, ich könnte ruhig die ganze Wahrheit sagen. »Außerdem sind die Tage der kleinen Privatdetekteien gezählt. Ich habe mich so lange halten können, weil ich alles hier gut kenne: die Gegend, die
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