Selbst ist der Mensch
Areale: die posteromedialen Rindenfelder, den Thalamus und das Tegmentum des Hirnstamms. Wie wichtig jedes dieser drei Zentren für sich genommen bei der Herstellung der Bewusstlosigkeit ist, weiß man nicht; die Abnahme der Bewusstseinsstärke steht jedoch im Zusammenhang mit einer verminderten regionalen Durchblutung in den posteromedialen Teilen der Hirnrinde. 5 Die Belege gehen aber weit über das Propofol hinaus. Vergleichbare Effekte haben, wie eine umfassende Übersicht belegt, offenbar auch andere Anästhesiewirkstoffe. Bei einer Anästhesie mit Propofol wird selektiv die Aktivität in drei Gehirnarealen unterdrückt, die sich beiderseits der Mittellinie befinden und für den Aufbau des Bewusstseins von entscheidender Bedeutung sind.
Schlafforschung
Der Schlaf ist ein natürliches Umfeld für Bewusstseinsstudien, und die Schlafforschung trug bereits früh zu entsprechenden Erkenntnissen bei. Schon seit Langem weiß man, dass die im Elektroenzephalogramm aufgezeichneten Rhythmen der vom Gehirn erzeugten elektrischen Aktivitätsmuster mit verschiedenen Schlafphasen im Zusammenhang stehen. Den Ursprung solcher Aktivitätsmuster in einzelnen Gehirnregionen ausfindig zu machen, ist außerordentlich schwierig; daher kam die räumliche Lokalisierung mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomographie den Forschern so gelegen. Dank bildgebender Verfahren konnte man sich die verschiedenen Schlafphasen im Laufe der letzten zehn Jahre genauer ansehen.
So ist beispielsweise das Bewusstsein während des sogenannten N-REM-Schlafes, der sich durch langsame Gehirnwellen und das Fehlen schneller Augenbewegungen auszeichnet, stark unterdrückt. Dies ist der tiefe »Schlaf des Gerechten«, aus dem uns nur das ungerechte Klingeln des Weckers reißt. Es ist ein »traumloser Schlaf«, vollständig fehlen Träume allerdings offenbar nur im ersten Teil der Nacht. Wie man aus Untersuchungen mit funktioneller Magnetresonanztomographie weiß, ist die Aktivität mehrerer Gehirnregionen während dieser Schlafphase mit langsamen Gehirnwellen vermindert; dies gilt vor allem für Teile des Mittelhirn-Tegmentums (an Pons und Mittelhirn), das Zwischenhirn (Thalamus und Hypothalamus bzw. basales Vorderhirn), die medialen und lateralen Teile des präfrontalen Cortex, den Cortex cingulatus anterior, den seitlichen Teil der Schläfenlappen und die PMCs. Der Funktionsrückgang ist während des Schlafs mit langsamen Gehirnwellen weniger selektiv verteilt als bei einer Vollnarkose (für die Annahme, das Verteilungsmuster müsse gleich sein, besteht auch kein Anlass), aber wie bei der Anästhesie lässt es nicht auf eine umfassende Unterdrückung der Funktionen schließen. Die Unterdrückung betrifft allerdings auffälligerweise ebenfalls drei Regionen (Hirnstamm, Thalamus und PMCs), die mit dem Aufbau des Bewusstseins in Zusammenhang stehen.
Auch während des REM-Schlafs, dessen charakteristisches Merkmal schnelle Augenbewegungen sind, ist das Bewusstsein unterdrückt; in dieser Phase treten die meisten Träume auf. Im REM-Schlaf können Träume ins Bewusstsein eindringen, und zwar entweder über Lernen und späteren Abruf oder über das sogenannte paradoxe Bewusstsein. Besonders stark vermindert ist die Aktivität während des REM-Schlafs in zwei Gehirnregionen: dem dorsolateralen präfrontalen Cortex und dem lateralen parietalen Cortex; dagegen ist die Aktivitätsabnahme in den PMCs erwartungsgemäß viel weniger ausgeprägt. 6
Kurz gesagt, ist das Aktivitätsniveau in den PMCs während des Wachzustands am höchsten und während des Schlafs mit langsamen Gehirnwellen am niedrigsten. Im REM-Schlaf sind die PMCs auf einem mittleren Niveau tätig. Das erscheint auch plausibel. Während des Schlafs mit langsamen Gehirnwellen ist das Bewusstsein am weitesten ausgeschaltet; im Traumschlaf widerfahren die Ereignisse einem »Selbst«. Dieses Traumselbst ist natürlich nicht das normale Selbst, aber der mit ihm verbundene Gehirnzustand stellt sich offenbar unter Mitwirkung der PMCs ein.
Erforschung neurologischer Störungen
Die Liste der neurologischen Störungen, die mit einer Beeinträchtigung des Bewusstseins einhergehen, ist glücklicherweise kurz: Koma und vegetative Zustände, bestimmte Formen epileptischer Anfälle sowie der von einem Schlaganfall hervorgerufene akinetische Mutismus, Tumore und die Alzheimer-Krankheit im Spätstadium. Bei Koma und vegetativem Zustand kommt es zu einer radikalen Beeinträchtigung, so als habe man ein
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