Selbst ist der Mensch

grundlegenden Schaffung des Geistes nicht beteiligt. Andere wirken eindeutig auf einer grundlegenden, unverzichtbaren Ebene daran mit, den Geist zu erzeugen. Und wieder andere unterstützen die Entstehung des Geistes mit Aktivitäten wie der Erzeugung und Erneuerung von Bildern sowie der Verwaltung des Bilderstromes, beispielsweise indem sie die Bilder bearbeiten und Kontinuität schaffen.
    Das gesamte Rückenmark ist offenbar nicht für die Entstehung des Geistes erforderlich. Ist es vollkommen geschädigt, sind schwere motorische Beeinträchtigungen, ein weitreichender Verlust des Körperempfindens sowie eine gewisse Dämpfung der Gefühle die Folge. Solange aber der parallel zum Rückenmark verlaufende Vagusnerv erhalten bleibt (was in solchen Fällen fast immer der Fall ist), ist der Signalaustausch zwischen Körper und Gehirn noch so robust, dass die automatische Steuerung gewährleistet ist, grundlegende Gefühle in Gang gesetzt werden und jene Aspekte des Bewusstseins, die Signale aus dem Körper erfordern, aufrechterhalten werden. Die Entstehung des Geistes wird durch Schäden des Rückenmarks eindeutig nicht verhindert – das wissen wir nur allzu gut aus den traurigen Fällen von Unfallopfern, bei denen die Schädigung an allen nur denkbaren Stellen des Rückenmarks eingetreten ist. Der großartige Geist von Christopher Reeve überlebte die schwere Schädigung des Rückenmarks ebenso wie sein Bewusstsein. Wie ich aus meiner Erinnerung an Begegnungen mit ihm weiß, war äußerlich bei ihm nur die mimische Ausdrucksfähigkeit für Gefühle geringfügig beeinträchtigt. Nach meiner Vermutung werden die geistigen Repräsentationen der somatosensorischen Reize aus Gliedmaßen und Rumpf erst auf der Ebene der Zentren im oberen Hirnstamm vollständig zusammengesetzt, wobei Signale aus dem Rückenmark und dem Vagusnerv mitwirken, so dass das Rückenmark für die Entstehung des Geistes nur marginale Bedeutung hat. (Man kann die Position des Rückenmarks relativ zur Entstehung des Geistes auch anders formulieren und sagen, dass seine Beiträge in der Gesamtfunktion nicht vermisst werden, selbst wenn wir diese Beiträge, sofern sie vorhanden sind, durchaus zu schätzen wissen. Nach einer Durchtrennung des Rückenmarks haben die Patienten keine Schmerzen, aber sie zeigen »schmerzassoziierte« Reflexe – ein Hinweis, dass die Kartierung des Gewebeschadens auf der Ebene des Rückenmarks stattfindet, aber nicht aufwärts zu Hirnstamm und Großhirnrinde übermittelt wird.)
    Das Gleiche gilt, zumindest im Fall von Erwachsenen, auch für das Kleinhirn. Dieses spielt eine wichtige Rolle für die Bewegungskoordination und die Färbung von Gefühlen, und es ist auch am Erlernen von Fähigkeiten und der Erinnerung daran sowie an kognitiven Aspekten der Entwicklung von Fähigkeiten beteiligt. Aber die Erzeugung des Geistes ist, soweit wir wissen, nicht seine Aufgabe. Das Gleiche können wir über den Hippocampus sagen, der für das Erlernen neuer Tatsachen unentbehrlich ist und regelmäßig an den normalen Erinnerungsprozessen mitwirkt, ohne dass sein Fehlen aber die Erzeugung des Geistes beeinträchtigen würde. Sowohl das Kleinhirn als auch der Hippocampus sind Helfer bei den Redaktionsprozessen und der Herstellung von Kontinuität im Zusammenhang mit Bildern und Bewegungen. Diese Aufgabe teilen sie mit mehreren Regionen der Hirnrinde, die der motorischen Steuerung dienen und vermutlich auch eine Rolle spielen, wenn es um die Aufrechterhaltung der Kontinuität in den geistigen Prozessen geht. Dies ist natürlich von entscheidender Bedeutung für die umfassende Funktion eines Geistes; für die Herstellung der Bilder ist es aber nicht erforderlich. Die Indizien, die gegen die Mitwirkung des Hippocampus und der benachbarten Rindenregionen bei der Erzeugung des Geistes sprechen, sind besonders stichhaltig. Sie ergeben sich aus den Verhaltensweisen und Berichten von Patienten, bei denen der Hippocampus und der vordere Schläfenlappen auf beiden Seiten durch Sauerstoffmangel, Herpes-simplex-Enzephalitis oder chirurgische Eingriffe zerstört wurden. Ihre Fähigkeit, neue Tatsachen zu erlernen, ist im Wesentlichen ausgeschaltet, und das Gleiche gilt mehr oder weniger auch für die Fähigkeit, sich an die Vergangenheit zu erinnern. Dennoch ist der Geist solcher Patienten immer noch ungeheuer leistungsfähig: Die Wahrnehmung im visuellen, akustischen und taktilen Bereich funktioniert mehr oder weniger normal, und auf generischer (nicht