Selbstmord der Engel
hatten.
Es gab für sie keine andere Möglichkeit, wenn sie überleben wollten. Und sie griffen an.
Ich hatte sie nicht gezählt, aber es waren zu viele. Außerdem stiegen noch welche aus irgendwelchen Verstecken in die Höhe. Dass sie zur Spezies der Engel gehörten, war nur an ihren Flügeln zu erkennen. Ansonsten konnte man bei ihnen von traurigen und grauen Gestalten sprechen. Von einem geschlechtslosen Nichts. Von Wesen, die ihre wahre Bestimmung und Heimat noch nicht gefunden hatten und als reine Befehlsempfänger das taten, was man von ihnen verlangte.
Ich hatte die Masse der Engel nicht gezählt, die mich angriff. Es waren nur mehr, als Kugeln in meinem Magazin steckten. Ich konnte einige von ihnen vernichten, aber es würden noch immer genügend übrig bleiben, um mich zu töten.
Es gab eine kleine Chance, wenn ich mich in ein Haus zurückzog. Da würden sie kaum gemeinsam eindringen können. So konnte ich sie mir der Reihe nach vornehmen.
Ich wollte wegtauchen, da fegte plötzlich etwas aus der Luft nach unten. Es sah aus wie ein riesiger Vogel, der in ein schwarzes Gefieder eingetaucht war.
Nein, kein Vogel. Es war Raniel, der Gerechte. Und er kam über die Engel wie ein Bote des Jüngsten Gerichts. Er schwang sein mächtiges Schwert, schlug zwei Engeln mit einem Streich während des Flugs die Köpfe ab und schrie mir zu.
»Hol dir Belial!«
***
Nichts, was ich lieber getan hätte. Ich wollte den Engel der Lügen endgültig vernichten. Ich wollte, dass er die Menschen in Ruhe ließ, und ich wollte vor allem Carlotta haben.
Geduckt lief ich ihm entgegen. Er schwebte noch immer in der Luft, aber er brüllte seinen Frust raus, denn Raniel’s Auftauchen hatte ihn überrascht. Um mich herum und auch über meinem Kopf tobte ein mörderischer Kampf. Raniel, der Gerechte, machte sich seine eigenen Gesetze, und das Töten der Engel gehörte dazu. Er hatte hier das Sagen. Er wollte freien Tisch machen, und mit seinem gläsernen Schwert räumte er unter den Engeln auf.
Ich hatte freie Bahn. Belial wartete. Er war etwas weitergeflogen. Von dort aus konnte er den Kampf besser beobachten und musste sich eingestehen, dass seine Engel nicht gewinnen konnten.
Auch Carlotta hatte mitbekommen, was passierte. Sie war nicht dumm, sie wusste ihre Chance zu nutzen, denn jetzt war Belial abgelenkt. Zwar hielt er sie noch immer fest, doch nur sie allein wusste, wie hart der Griff in ihrem Nacken war.
Da schnellten beide Arme hoch. Die Hände packten die Hand über ihrem Rücken und zerrten daran.
Belial wurde überrascht. Er ließ los.
Carlotta fiel nach unten.
Aber sie konnte nicht mehr fliegen. Ein Flügel war gebrochen. Der linke, und so versuchte sie es mit dem rechten. Den Fall konnte sie etwas lindem, auch den Aufprall, aber sie sackte schon zusammen, und Belial jagte wie ein Pfeil auf seine Beute zu.
Ich war noch zu weit weg, um ihn packen zu können, und deshalb musste ich schießen.
Ein Schuss in dieser Welt hörte sich ebenso laut an wie in der unsrigen.
Das geweihte Silbergeschoss erwischte Belial mitten im Flug. Und es trat das ein, was ich nicht für möglich gehalten hatte. Er stürzte tatsächlich ab.
Als hätte jemand einen großen toten Fisch aus der Höhe zu Boden geschleudert, landete er nicht weit von mir entfernt, und ich jubelte innerlich bereits auf.
Hoffentlich reichte es, obwohl ich das nicht glaubte, aber ich musste mich um Carlotta kümmern und sie aus der Gefahrenzone schaffen. Es wäre auch gelungen, wenn nicht einer dieser toten Engelskörper in meinen Rücken gefallen wäre.
Das war wie ein Geschoss, das mich traf und mich nach vorn schleuderte. Ich verlor das Gleichgewicht und landete auf Händen und Füßen. Der kopflose Körper rollte in meiner Nähe weiter, und mir war nichts passiert, sodass ich wieder auf die Beine kam – und mein Pech sah, denn Belial war nicht mit einer Kugel zu vernichten.
Er hatte reagiert, und es waren wirklich nur wenige Sekunden nötig gewesen, um mich wieder in eine fatale Lage zu bringen. Noch schlechter ging es Carlotta. Belial hatte sich das Vogelmädchen gepackt und seine Arme wie Schlingen um ihren Körper gedreht.
Eine seiner beiden Hände – es war die rechte – hatte er nach oben gedrückt. Die Spitzen der langen, grauen Fingernägel berührten die dünne Haut an der Kehle.
Ich hörte das scharfe Lachen, dem seine Frage folgte.
»Und nun, Sinclair?«
***
Ja, er hatte ins Schwarze getroffen!
Was nun?
Eine Silberkugel hatte ihm
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