Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)
entwickeln und umsetzen. Andersherum höre ich Geschichten von jungen Berufstätigen, die trotz bester Ausbildung und besten Karrierechancen den Sprung aus dem mittleren Management in die Führungsetage mit dem Argument verweigern, sie wollten sich mit Mitte dreißig eine Auszeit nehmen, um ein Kind zu bekommen (eines!) und in den ersten Jahren (mehreren!) voll und ganz für das Kind da zu sein. Ob und in welcher Position sie danach in ihren Job zurückkehren, lassen sie offen.
Könnte es vielleicht sein, dass es manchen kinderlosen Frauen statt an Unterstützung am Willen und am Mut zum eigenen Kind mangelt? Und ist es möglich, dass manche der Zuhausebleiberinnen gern einen gemütlichen Alltag genießen möchten? Beides wäre zu akzeptieren. Aber die so denkenden Frauen sollten ihre Gründe offen nennen, sie sollten weder Staat und Gesellschaft noch die eigenen Kinder für ihre Entscheidungen verantwortlich machen. Meiner Erfahrung nach bedeuten Kinder Belastung und Verantwortung, ja, aber sie sind vor allem eine Dauerfreude.
Erziehung kostet Energie, ja, aber Kinder schenken uns auch Kraft. Ein Leben mit Kindern ist überhaupt nicht zu vergleichen mit einem Leben ohne Kinder. Welches Leben eine Frau wählt, ist ihre persönliche Entscheidung, die von allen anderen respektiert werden muss. Allerdings empfehle ich, die Entscheidung für oder gegen Kinder bewusst und in erster Linie für sich selbst zu treffen. Je deutlicher eine Frau sich alle Konsequenzen dieser Entscheidung, positiv wie negativ, vor Augen führt, desto glücklicher und souveräner wird sie später mit ihnen leben. Und desto geringer wird das Bedürfnis sein, den Vater der Kinder, den Arbeitgeber oder die gesellschaftlichen Bedingungen für die eigene Lage verantwortlich zu machen.
Ein schönes, großes eigenes Haus: Seit meiner Jugend hatte ich davon geträumt – im Jahr 1978 wurde der Traum wahr. Zusammen mit meiner Mutter erwarb ich ein Haus mit Garten in Hamburg nahe der Elbe. Meine Mutter verkaufte den Bungalow, in dem sie zuletzt gelebt hatte. Das Geld brachte sie als Anzahlung in das Hamburger Haus ein, zusätzlich nahmen wir einen Kredit auf, den wir je zur Hälfte verantworteten und abbezahlten. Ich selbst hatte noch keine Möglichkeit gehabt, Geld anzusparen.
In der ersten Zeit musste man schon ziemlich genau hinschauen, um die Schönheit des Hauses zu erkennen, es war stark sanierungsbedürftig. Ich nannte unser neues Haus eine »geschminkte Leiche«. Wir ließen es entkernen und von Grund auf erneuern. Die Innengestaltung entwarf ich selbst, gemeinsam mit einem Architekten. Es machte mir großen Spaß, dem Haus eine ganz neue Struktur zu geben, alles nach den Bedürfnissen und dem Geschmack unserer Familie zu konzipieren. Fast jeden Tag fuhr ich zur Baustelle, eineinhalb Jahre lang übernahm ich auch die Bauleitung und koordinierte die Arbeit von bis zu 22 Handwerkern. Die Wohnung im ersten Stock nahm meine Mutter. Mein Vater war 1975 gestorben, 1979 zog meine Mutter in das Haus. Die unteren zwei Stockwerke – Hochparterre und Souterrain – wurden erst später fertig ; 1981 zogen meine drei Kinder und ich ein. Da gab es immer noch viel am Haus zu tun, alle mussten mit anpacken.
Auf Kinderpflegerinnen oder Zugehfrauen verzichtete ich nun gänzlich. Tagsüber lebten die beiden Älteren weitgehend ihr eigenes Leben, auch ihr Mittagessen bereiteten sie selbst zu. Andrea ging zum Essen zu ihrer Omi hinauf. Meine Mutter und ich behielten unter unserem gemeinsamen Dach völlig getrennte Haushalte, sie kam auch nicht zu uns nach unten, um die Kinder zu versorgen. Schon vorher hatte sie wenig an der Versorgung ihrer Enkel teilgenommen. Dafür hatten wir zu weit voneinander entfernt gewohnt, außerdem hatte mein Vater meine Mutter ziemlich in Anspruch genommen und hätte keine Freude an ständig um ihn herumspringenden Enkeln gehabt. Zudem war meine Mutter zwar eine gute Pädagogin, vertrat aber in Erziehungsfragen manche Ansichten, die ich nicht teilte. Während ich vor allem auf eine argumentative Erziehung setzte, legte meine Mutter mehr Wert auf Akzeptanz ihrer Anordnungen. Sie mochte es nicht, wenn Kinder ihre Anweisungen hinterfragten, nach Erklärungen verlangten oder gar Gegenvorschläge machten. Insofern wäre eine gemeinsame Erziehung durch meine Mutter und mich schwierig gewesen.
Als Andrea etwa 12 bis 13 Jahre alt war, fühlte sie sich oft einsam. Ihr großer Bruder war aus dem Haus, und ich war als Richterin am
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