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Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)

Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition)

Titel: Selbstverständlich gleichberechtigt: Eine autobiographische Zeitgeschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lore Maria Peschel-Gutzeit
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Dabei war und bleibt es doch vollkommen eindeutig, warum eine Mutter erwerbstätig ist. Die Gründe lauten: Autonomie und Verantwortung. Warum eine Frau Kinder bekommt, lässt sich ebenso einfach erklären: Kinder sind etwas Wunderbares, und ohne sie würde die Menschheit aussterben.
    Meine Freundin Jutta Limbach, ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts und Mutter von drei Kindern, schreibt in einem Aufsatz: »Entscheidet sich die berufstätige Frau für Kinder, so muss sie mit dem Vorwurf leben, eine Rabenmutter zu sein. Dabei sind die Folgen der mütterlichen Erwerbstätigkeit für die Sozialisation der Kinder bestens erforscht worden. Sozialisationsdefizite wegen mütterlicher Berufstätigkeit sind bei den Kindern nicht festgestellt worden.« Nicht die Berufstätigkeit an sich sei ausschlaggebend, so Limbach, sondern das Zusammenspiel verschiedener Faktoren wie etwa das Qualifikationsniveau und die Berufszufriedenheit der Mutter. Im Übrigen sei bei der Sozialisation der Kinder auch die Zufriedenheit derjenigen Mütter von Belang, die sich ganztags der Familienarbeit widmen. *
    Für die Entwicklung von Kindern sehe ich es als Vorteil, wenn sie schon früh im Alltag vermittelt bekommen, dass die Berufstätigkeit von Frauen Normalität bedeutet. Des Weiteren bin ich überzeugt, dass Profis an der Erziehung von Kindern mitwirken sollten, nicht nur die Lehrer in der Schule, sondern auch Erzieher, ausgebildete Tagesmütter oder -väter und Pädagogen, die in Kindertagesstätten oder Ganztagsschulen arbeiten. In der Regel haben Mütter keine fundierte Ausbildung zur Kindeserziehung, deshalb ist es gut und richtig, wenn ihnen Spezialisten zur Seite stehen.
    In der Krippe, im Kindergarten, bei der Tagesmutter oder auch bei der eigenen Erzieherin zu Hause verhalten Kindersich anders als gegenüber der Mutter. Durch die zusätzliche Bezugsperson lernen sie andere Sicht-, Denk– und Verhaltensweisen kennen. Eine gute, nicht ausschließlich von Vater und Mutter geleistete Erziehung wirkt inspirierend auf Kinder, schult deren geistige Flexibilität und ihr Anpassungsvermögen. Ein erfahrener Profi hat zudem bessere Vergleichsmöglichkeiten, kann Kinder und ihre Entwicklung anders einordnen als die Eltern. Werden Kinder stunden– oder tageweise zu ihrem eigenen Vorteil von Spezialisten betreut, können Mütter und Väter diese Zeit hervorragend für die Berufstätigkeit nutzen – und dadurch ihre Autonomie fördern und wirtschaftliche Verantwortung für die Familie übernehmen.
    Fertig ausgebildete und erfahrene Pädagogen konnte ich mir für meine Kinder nicht leisten, aber unsere Kinderpflegerpraktikantinnen hatten immerhin eine umfassende Grundausbildung absolviert, bevor sie zu uns kamen. Schnell begriff ich, dass es nötig war, den jungen Mädchen eine gewisse Position einzuräumen und nicht zu befürchten, dass sie mir die Mutterrolle strittig machten. Es gibt Mütter, die in derartigen Situationen eifersüchtig werden. Solche Gefühle habe ich mir nicht erlaubt. Ich kann nicht den ganzen Tag außer Haus sein und gleichzeitig erwarten, dass die Kinder mich annehmen wie jemanden, der ständig bei ihnen ist. Solche Erwartungen sind widersinnig. Insofern musste ich es aushalten, wenn die Kinder ihre Erzieherin manchmal interessanter fanden als mich, ihre Mutter. Ergab es sich, dass ich gemeinsam mit Anke oder einer ihrer Nachfolgerinnen ins Haus kam, konnte es passieren, dass die Kinder zuerst auf die Kinderpflegerin zustürmten. Das ist nicht schön für eine Mutter, aber es ergibt sich aus der Situation und ist damit folgerichtig.
    Als meine Kinder klein waren, gab es zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf keine öffentliche Meinung, keine Lobby, keine Forderungen oder Konzepte. Das Ganze war reine Privatsache. Nach dem Motto: Wer sich Kinder leistet, muss zusehen, wie er zurechtkommt. Es wurden genug Kinder geboren, als Mutter konnte man nicht per se mit gesellschaftlicher Anerkennung rechnen. Ich erwartete keine Anerkennung, da ich die Kinder nicht für die Gesellschaft, sondern zur Vervollkommnung unserer Familie, zur Erfüllung unseres gemeinsamen Kinderwunsches bekommen hatte. Ich erwartete auch keine finanziellen Zuwendungen oder andere staatliche Unterstützung, sondern sah es als meine Aufgabe an, die Familie zu finanzieren und zu organisieren.
    Mit der Einstufung von Kindern als Privatangelegenheit war ich einverstanden. Was mich hingegen befremdete, war der Umstand, mit drei Kindern als

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