Selection
neigt. Am liebsten spielt er Ball und studiert Käfer, was ja schön und gut ist, aber damit kann er später kein Geld verdienen. Wir versuchen ihn dazu zu bewegen, dass er mehr ausprobiert. Na ja, so weit, so gut. Mehr Geschwister habe ich nicht.«
»Und wie sind Ihre Eltern?«, fragte Maxon weiter.
»Wie sind denn Ihre Eltern?«, erwiderte ich.
»Die kennen Sie doch.«
»Nein, nur ihre öffentliche Seite. Aber wie sind sie wirklich? Privat?« Ich zog ein bisschen an seinem Arm, wozu man viel Kraft brauchte. Sogar durch seinen Anzug spürte ich, wie muskulös seine Arme waren.
Maxon seufzte, aber ich merkte, dass er nichts gegen meine Frage einzuwenden hatte. Es schien ihm sogar zu gefallen, dass ihn jemand herausforderte. In einem Palast aufzuwachsen, ohne Geschwister, musste ziemlich trist sein.
Er überlegte noch, als wir in den Garten hinaustraten. Die Wachen lächelten vielsagend, als wir an ihnen vorbeigingen, und draußen warteten bereits wieder Kameraleute, die sich natürlich die Bilder vom ersten Rendez-vous des Prinzen nicht entgehen lassen wollten. Doch als Maxon den Kopf schüttelte, zogen sie sich sofort zurück. Ein leiser Fluch ertönte aus ihren Reihen. Ich war nicht besonders erpicht darauf, überall von Kameraleuten verfolgt zu werden, aber es fühlte sich nun auch merkwürdig an, die Reporter wegzuschicken.
»Alles in Ordnung? Sie wirken etwas angespannt«, bemerkte Maxon.
»Sie finden weinende Frauen verwirrend, ich finde Spaziergänge mit Prinzen verwirrend«, sagte ich mit einem Achselzucken.
Maxon lachte leise, sagte aber nichts. Die Sonne ging hinter dem großen Wald unter, und der Schatten fiel über uns wie ein dunkles Zelt. Zwei Abende zuvor hatte ich diese Stille und Abgeschiedenheit gesucht, und nun wurde sie mir zuteil. Wir entfernten uns immer weiter vom Palast und den Wachen.
»Was finden Sie so verwirrend an mir?«
Ich zögerte, entschied mich aber dann für Aufrichtigkeit. »Ihren Charakter. Ihre Absichten. Ich weiß einfach nicht, wie ich diesen Ausflug hier verstehen soll.«
»Ah.« Maxon blieb stehen und sah mich an. Wir standen sehr dicht beieinander, und trotz der warmen Sommerluft lief es mir kalt den Rücken hinunter. »Ich denke, Sie haben schon verstanden, dass ich ein Mann bin, der keinen Hehl aus seinen Gefühlen macht. Ich kann Ihnen sehr genau sagen, was ich von Ihnen möchte.«
Der Prinz trat noch einen Schritt näher.
Mir stockte der Atem. Ich hatte mich genau in die Lage gebracht, vor der ich mich gefürchtet hatte. Keine Wachen, keine Kameras, niemand in der Nähe, der ihn von etwas abhalten konnte?…
Unwillkürlich fuhr mein Knie hoch und traf Maxons Oberschenkel. Hart.
Er schrie auf und fasste an die schmerzende Stelle. Ich wich zurück. »Was soll das?«
»Wenn Sie mich auch nur mit dem kleinen Finger anfassen, passiert noch etwas Schlimmeres!«, drohte ich.
»Wie bitte?«
»Ich habe gesagt, wenn –«
»Nein, nein, ich habe Sie schon verstanden.« Maxons Gesicht war schmerzverzerrt. »Ich möchte wissen, was Sie damit gemeint haben.«
Mir wurde heiß. Ich war von der übelsten Möglichkeit ausgegangen und hatte mich offenbar gegen etwas gewehrt, das gar nicht passiert wäre.
Die Wachen kamen angerannt, weil sie den Schrei des Prinzen gehört hatten. Maxon, noch immer leicht gekrümmt, schickte sie jedoch sofort wieder weg.
Eine Weile blieb es still, und als der Schmerz nachgelassen hatte, richtete Maxon sich auf und sah mich an. »Was haben Sie von mir erwartet?«, fragte er.
Ich schaute nach unten und lief rot an.
»America, was haben Sie vermutet?« Maxon klang aufgebracht. Und verletzt. Offenbar hatte er verstanden, was ich befürchtet hatte, und es gefiel ihm gar nicht. »In der Öffentlichkeit? Sie haben gedacht … um alles in der Welt! Ich bin ein Gentleman!«
Er wandte sich zum Gehen, drehte sich aber noch einmal um.
»Wieso haben Sie mir überhaupt Ihre Hilfe angeboten, wenn Sie so wenig von mir halten?«
Ich konnte ihm nicht in die Augen schauen, wusste nicht, wie ich ihm erklären sollte, dass man mich gewarnt hatte, ich könnte ausgenutzt werden. Dass die Dämmerung und die intime Situation mich verwirrten. Dass ich bislang nur mit einem einzigen Jungen alleine gewesen war und dass wir uns dann körperlich nahe gekommen waren.
»Sie essen heute Abend auf Ihrem Zimmer. Ich werde mich mit diesem Vorfall morgen früh befassen.«
Ich wartete im Garten, bis alle anderen im Speisesaal sein mussten. Dann ging ich noch eine
Weitere Kostenlose Bücher