Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
wird am Samstag sein. So kann ich beide wahrnehmen.« Er grinste geheimnisvoll. »Es handelt sich in diesem Fall um die Schwester des Kleinöder Pfarrers.«
»Ist die nicht etwas zu alt für Sie?« Franziska fixierte ihn mit gespielter Besorgnis.
»Es muss ja nicht gleich bis zum Äußersten kommen«, konterte er geschickt.
Das erste Glas Wein schien ihm ebenso sehr zu Kopf gestiegen zu sein wie ihr.
Sie lehnte sich entspannt zurück.
Seit mehr als zehn Jahren arbeiteten sie zusammen und waren sich bis jetzt hauptsächlich an seinem Seziertisch begegnet, niemals privat.
Nun aber stand ein normaler Tisch zwischen ihnen – mit weißer Tischdecke, Servietten und brennender Kerze, und im Hintergrund sangen Lucio Dalla und Fabrizio De André über Liebe, Freundschaft und Nostalgia. Der Rechtsmediziner trug keinen hellgrünen OP-Kittel und keinen Mundschutz wie sonst, sondern einen kamelhaarfarbenen Strickpullover mit Knopfleiste. Er sah so jung aus – oder war sie schon so alt? Sie schätzte ihn auf Anfang vierzig, und ihr war klar, dass sie seine Mutter sein könnte.
Daheim, in der leeren Wohnung, wäre sie nun schon in eine Depression versunken. So aber hatte sie sich selbst ausgetrickst und fühlte sich wohl. Sie lächelte ihr Gegenüber an. »Ehrlich? Ist die Schwester des Pfarrers etwa immer noch in Sachen Seligsprechung unterwegs?«
»Ach, davon wusste ich nichts. Aber klar, das erklärt einiges.«
Fragend sah sie ihn an und zog die Stirn kraus.
»Ich hab mich nämlich schon gefragt, warum ich ausgerechnet an einem Bohrloch erscheinen soll, dessen Lage sie mir übrigens lang und breit beschrieben hat. Fast wie ein konspirativer Treff. Aber da ich am Samstag eh nichts vorhabe, kann ich da ja mal hingehen. Ich hab zugesagt.«
Gustav Wiener lächelte. Ihr fiel auf, dass er ganz anders aussah, wenn er lächelte. Viel lebendiger. Er sollte nicht so viel allein sein und auch nicht so viel arbeiten. Andererseits verstand sie gut, dass er sich vor der leeren Wohnung fürchtete. Ihr ging es da ja auch nicht besser. Gerade als sie ihm davon erzählen wollte, sagte er: »Außerdem hat sie den Probanden auch dahin bestellt, sowie einen Abgesandten der Kurie.«
»Mein lieber Schwan, da werden ja die heftigsten Geschütze aufgefahren.«
Er nickte und grinste verschwörerisch: »Ich soll das dort stattfindende medizinische Wunder beglaubigen. Allerdings nur, wenn es auch tatsächlich passiert. Die Moosthenninger Martha jedoch zweifelt nicht eine Sekunde daran. Die organisiert ihre Sache generalstabsmäßig. Ich musste versprechen, meinen Arztkoffer mitzubringen. Gleich an Ort und Stelle soll ich in Anwesenheit von Zeugen dem Probanden vor und nach dem Wunder Blut abnehmen und was sonst noch so ansteht – lachen Sie nicht, ich zitiere nur Hochwürden Moosthenningers Schwester.«
Franziska hob belustigt ihr Glas. »Sorry, aber ich finde das wirklich komisch. ›Was sonst noch so ansteht?‹ Was könnte sie damit gemeint haben? Vielleicht Erste Hilfe?«
»Ich hoffe nicht. Aber da es sich um einen Gichtpatienten handelt, werd ich wohl auch die Harnsäure checken müssen. Das lass ich mir nicht entgehen – ich spiele das Spiel vom Anfang bis zum bitteren Ende mit. Schließlich wird das die amüsanteste Untersuchung seit Langem sein. Und dann auch noch am lebenden Objekt.« Er schenkte ihr und sich Wein nach.
Vermutlich weil beide an diesem Abend der Tristesse ihrer jeweils leeren Wohnung entfliehen konnten, waren sie auf angenehme Weise albern und lachten wie Kinder über jede Zweideutigkeit, über jedes falsch verstandene Wort. Junge und überaus ernst schauende Menschen an den Nachbartischen warfen ihnen verständnislose Blicke zu. Das machte die Situation noch komischer. Nachdem sie die zweite Flasche Wein bestellt hatten, zog Gustav einen Zettel aus seiner Hosentasche und sagte: »Damit wir nicht vergessen, warum wir hier sind: Der Tipp mit dem Pfaffenhütchen war goldrichtig. Malwine Brunner ist systematisch vergiftet worden.«
Kapitel 18
Als sich an diesem Freitagvormittag um neun Uhr die Tür zu ihrem Büro öffnete und Reschreiters Dackel Lumpi in die Amtsstube hoppelte, sein Herrchen wie eine beschwerliche Last hinter sich herziehend, musste Franziska lächeln. Das war diese Woche schon der zweite Hund in ihrem Büro. Was würde als Nächstes kommen? Eine Katze, ein Pferd? Oder gar ein Dinosaurier aus einer der vielen Parallelwelten, mit denen sich ihr Mann zurzeit befasste?
Unwillig murmelte der
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