Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
ein Wunder ist. Weil Ihre Finger auf einmal nicht mehr so wehtaten.«
»Das stimmt. Hat sogar ein paar Tage angehalten, die Linderung. Ganz ungewöhnlich. Dass ich da nicht noch mal hingegangen bin …«
Vorsichtig hakte sie nach: »Und Sie haben auch wirklich und wahrhaftig Gicht?«
»Bei Gott, ich wär froh, wenn ich die nicht hätte.«
Es war Martha peinlich, aber sie musste sichergehen. »Kann man das auch schriftlich haben?«
»Das mit meiner Gicht?«
»Genau.«
»Na ja, die letzten Laborbefunde kann ich schon mal raussuchen. Experten sehen dann gleich, was Sache ist.«
Sie seufzte erleichtert. »Wenn Sie dann so nett sein würden.«
»Aber was soll das Ganze?«
»Ich brauch Sie halt ganz dringend, um an Ihnen ein Wunder nachzuweisen. Damit der Gesandte des Bischofs mit eigenen Augen sehen kann, wie schnell und wie ganz Sie geheilt werden. Verstehen Sie, der glaubt mir halt immer noch nicht, dass meine Agnes so wunderbare Dinge bewirken kann. Von ihrem Platz aus, da im Himmel. Vermutlich sitzt sie direkt neben dem Herrn.« Ergriffen hielt sie einen Moment lang inne. »Verstehen Sie, als ich ihm das mit den Schmetterlingen gezeigt habe, war er natürlich auch schon beeindruckt, aber er sagt halt, dass das nicht ausreicht. Ist ja eigentlich auch in Ordnung, wenn die da so genau sind. Weil, sonst könnt ja ein jeder kommen und seliggesprochen werden wollen. Aber meine Agnes, sehen Sie, die ist wirklich und ganz wahrhaftig selig. Und das werden die Leut von der Kongregation schon einsehen, wenn der Bruder Ägidius zuguckt, wie Ihre Gicht verschwindet. Außerdem werde ich noch zwei Ärzte dazubestellen, die das alles beglaubigen, weil der Abgesandte des Bischofs das so haben will.« Sie war in Fahrt geraten. »Also kommen Sie?«
»Und was passiert dann?«
Sie schluckte und gestand mit demütiger Stimme: »Stellen Sie sich das mal vor: Dann wird direkt über der Quelle eine Basilika gebaut, und alle, die sich mit dem heiligen Wasser bekreuzigen und so ihren Glauben an die heilige Kirche und an die selige Agnes bekunden, werden quasi zur Belohnung auf einen Schlag gesund.«
»Donnerwetter!« Es hörte sich an, als amüsiere er sich köstlich. »Also diesem Sakralbau will und kann ich keinesfalls im Wege stehen. Wann und wo soll ich antreten?«
»Vielleicht Samstagnachmittag, wenn S’ so nett wärn. Vormittags hab ich nämlich zwei Beerdigungen, aber nachmittags ginge es, und samstags haben die Doktoren ja auch meistens Zeit – ich dacht nur, ich frag als Erstes bei Ihnen an, denn Sie sind ja der Proband.«
»Aha.« Jetzt lachte er laut.
Sie ließ sich nicht erschüttern. »Meinen Sie, das geht?«
Er schien in seinem Kalender zu blättern.
»Na, also den Spaß lass ich mir nicht entgehen. Ich könnte um vier direkt an der Quelle sein.«
»Aber dass Sie mir nicht vorher die Hände da reintunken. Das Wunder muss vor Zeugen passieren. Und bringen Sie Ihren Gichtausweis mit.«
Belustigt bestätigte er: »Ja, ja, meinen Gichtausweis. Den hab ich dann dabei.«
»Wenn was dazwischenkommt, meld ich mich noch mal. Aber die Doktoren werden schon können. Wissen S’, meine Agnes ist ja schließlich auch an der Sache interessiert und wird schon dafür sorgen, dass alle Zeit haben.«
»Gut, ich freu mich.« Der Mann am anderen Ende der Leitung kicherte leise vor sich hin.
Martha nickte sehr ernst und legte nachdenklich auf. »Der wird sich noch wundern, der alberne Gockel!«
»Das ist schon die zweite Einladung an diesem Tag«, sagte Gustav Wiener und räusperte sich. »Übrigens auch die zweite in diesem Jahr.«
»Was?« Franziska sah ihn ungläubig an. »Wir haben schon September.«
»Eben.« Er griff zur Speisenkarte.
Sie hatten sich im Gattopardo verabredet. Jetzt um neunzehn Uhr war es noch ruhig, später würden Familienväter vorbestellte Riesenpizzen holen, und es würden weitere Gäste eintreffen. Doch noch waren sie die Einzigen.
Obwohl sie es besser wusste, fragte sie lächelnd nach: »Das heißt, dass sonst immer Sie die Einladungen aussprechen?«
Er sah auf und schüttelte den Kopf. »Schön wär’s.«
Franziska, die sich auf der Fahrt von Kleinöd nach Landau nur eine belegte Semmel gegönnt hatte, merkte, dass ihr bereits das erste Glas Rotwein zu Kopf stieg. Sie griff nach einem Stück Brot und sah ihn an. »Und wer war Nummer zwei? Selbstbewusst geh ich mal davon aus, dass ich die Erste war.«
»So ist es auch.«
»Und das Rendezvous hätte heute stattfinden sollen?«
»Nein, es
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