Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
seinen Auftritt haben.
Bruno fuhr sehr schnell.
»Ras nicht so, die läuft uns schon nicht weg«, sagte Franziska und schüttelte den Kopf. »Also darauf hätte ich ja auch kommen können, alle Kleinöder Schützenlisten der letzten zwanzig Jahre durchzugucken.«
Er grinste. »Es war Georgs Idee. Zum Glück haben die da in der Zeitung inzwischen alles digitalisiert. Das hat er übrigens in der Justizvollzugsanstalt machen lassen, nur so als Tipp, falls wir auch mal was erfassen müssen. Alle Vernehmungsprotokolle hingeben, einscannen lassen, mit Stichworten markieren. Eine Schweinearbeit und ein genialer Gedanke. Aber wir haben ja den Datenschutz. Wäre der Landauer Anzeiger nicht digitalisiert, hätten wir uns dumm und dämlich gesucht. Manchmal hat die Technik auch was Gutes.«
Franziska hörte nicht richtig zu. »Meinst du, der Luck warnt sie vor?«
Er hob die Schultern. »Ist ihm zuzutrauen. Aber wenn wir sie mit unserem Verdacht konfrontieren, wird sie schwerlich auskommen.«
Sie seufzte. »Was war nur mit uns los, dass wir das nicht sehen wollten? Der erste Hinweis steckte ja schon im Gläsernen Vilstal. Warum waren wir auf dem Auge so blind? Hast du sie jemals gefragt, ob sie den Hellmann gekannt hat?«
»Nein.« Er schaltete in den fünften Gang. »Ich hab so gut wie nie mit ihr gesprochen. Du etwa?«
Franziska schüttelte den Kopf.
Elise Waldmoser stand in der Tür ihres Gewächshauses und hielt eine weiße Lilie in der Hand. Helmgleich und mit Haarspray fixiert lag das dauergewellte Haar um ihren Kopf. Auf ihren Wangen leuchteten rote Flecken. Sie trug einen pinkfarbenen Rollkragenpullover, eine schwarze Trainingshose und eine grüne Gärtnerschürze. Ihre Füße steckten in Gummistiefeln.
Als sich ihre Blicke begegneten, erkannte Franziska intuitiv, dass die Frau mit der Blume in der Hand ahnte, dass sie und Bruno die Wahrheit wussten. Sie war allein. Eine schwarz-weiße Katze strich um ihre Beine.
»Frau Waldmoser, Sie wissen, warum wir hier sind?« Bruno bemühte sich, seiner Stimme einen sonoren Klang zu verleihen.
Sie nickte und hatte dabei die Zähne so fest aufeinandergepresst, dass die Kieferknochen hervortraten. Ihr spitzes Kinn zitterte.
»Sie haben Günther Hellmann erschossen«, behauptete Bruno scharf und fixierte sie. Ihre Abwehrbewegung war so plötzlich, dass die Lilie zu Boden fiel.
Bruno ließ sich nicht beirren. Er fragte: »Warum?«
Franziska sah, dass die Frau des Bürgermeisters nun am ganzen Körper zitterte.
Stress-Tremor, ausgelöst durch große psychische Belastung, schoss es ihr durch den Kopf. Ein Fall wie aus dem klinischen Wörterbuch. Sie fragte sich, in welcher Region ihres Hirns sie dieses Wissen gespeichert haben mochte. Und während sie noch dachte: Hoffentlich bricht die uns nicht zusammen, murmelte Elise Waldmoser: »Ich kann doch nicht zulassen, dass der meine Ehe und das Glück von meinem einzigen Kind zerstört. Das geht doch nicht.«
Franziska ging auf Frau Waldmoser zu und führte sie zu einer Gartenbank an der Südseite des Treibhauses. Die beiden setzten sich. Bruno baute sich vor ihnen auf, als sei er ihr Leibwächter. Er hatte die zu Boden gefallene Blume aufgehoben, und Franziska dachte, dass er so, wie er mit der Lilie in der Hand dastand, wie ein Operettentenor wirkte. Sie hatte keine Ahnung, warum ihr mit einem Mal alles so unwirklich erschien, schüttelte verdutzt den Kopf und wandte sich an die neben ihr Sitzende: »Nun erzählen Sie mal von vorn. Eins nach dem anderen. Herr Hellmann hat Sie also besucht?«
»Ja.« Sie nickte. Bruno wippte ungeduldig von einem Bein aufs andere und fischte in der Innentasche seines roten Jacketts genervt nach Zigaretten und Feuerzeug.
Elise Waldmoser sah hoch. »Krieg ich auch eine?«
Sie hustete beim ersten Zug. »Vor vier Wochen war der hier. Der Herr Hellmann. Vom Sehen kannt ich den schon, weil der oft hier vorbeispaziert ist mit der Halber Gertraud und dem Kinderwagen. Meinen Mann hat der immer so herzlich gegrüßt, dass ich dachte: Die kennen sich. Und dann stand er mit einem Mal hier vor der Tür.«
»Und dann? Was wollte er?«
»Ich dachte, dass er mich fragen will, wie das wär, wenn er nach Kleinöd zieht und ob er vielleicht bei uns in der Gemeinde eine Arbeit kriegt, auf dem Rathaus. Und dass ich deshalb ein gutes Wort für den einlegen soll bei meinem Mann. Das alles habe ich halt so gedacht …« Sie verstummte.
Die Kommissarin nickte. »Verstehe.«
Elise Waldmoser schniefte. »Und
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