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Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)

Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Schröger , Katharina Gerwens
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obwohl er das nicht sehen konnte. Er war schon ein ungewöhnlicher Typ, dieser Günther, eine Frohnatur und ein begnadeter Träumer. Was hatte sie für ein Glück, dass sie ihm begegnet war!
    Kennengelernt hatte sie ihn an einem dunklen Novembervormittag in der Amtsstube des Kleinöder Rathauses. Er war gekommen, um sich mit Waldmosers Sekretärin über die Lebensdaten der Kleinöder auszutauschen, und er hatte eine lange Liste von Namen mitgebracht, die er abzuarbeiten gedachte.
    Die Oblomov hatte ihn mit einem »Grüß Gott, schon wieder neue Fragen?« begrüßt, und Gertraud musste lächeln, weil sich dieses russisch akzentuierte »Grüß Gott« einfach zu komisch anhörte.
    »Dann wollen wir mal«, sagte Olga und beugte sich bereitwillig über ihren Computer, um erste Namen und rudimentäre Daten in ein Suchfeld einzugeben.
    Er sah interessant aus. Ein wenig untersetzt mit weichen Gesichtszügen und Brille, schütteres Haar. Er sah aus wie einer, der gerne kochte und vor allem gerne aß. Seine Augen waren grau mit grünen Sprenkeln und eingefasst von einem Delta an Lachfältchen. Sie wusste, dass er ihrer Tochter wunderbare Geschichten erzählen würde.
    Schon die Art, wie er in Olgas Büro gekommen war, hatte was von einer Geschichte. Mit solchen Szenen fingen schicksalhafte Filme an. Eine Tür wurde geöffnet, und von einer Sekunde zur nächsten war nichts mehr so wie vorher. So würde sie es immer wieder allen erzählen.
    Gertraud hatte gerade ihr Familienstammbuch abgeholt und in ihre Handtasche geschoben, als er seinen Auftritt hinlegte und ihr Herz zum Klopfen brachte. Deshalb blieb sie einfach stehen. Später würde sie ihm gegenüber behaupten: wie vom Blitz getroffen – aber das war eine kleine Lüge. Sie blieb stehen, weil es draußen immer noch regnete, weil so selten mal ein Fremder nach Kleinöd kam – und weil sie neugierig war und sowieso nicht wusste, wie sie diesen Tag einigermaßen hinter sich bringen sollte.
    Das Kind war bei Tante Charlotte, wo es ihm immer wunderbar ging. Trotzdem: Die Kleine brauchte einen Vater – eine richtige Familie. Möglicherweise hatte ihr Unbewusstes schneller reagiert als sie selbst und augenblicklich erkannt, dass das hier der richtige Kandidat war.
    »Günther Hellmann«, stellte er sich vor und reichte ihr die Hand, vermutlich weil er dachte, dass auch sie zum Bürgermeisteramt gehörte.
    Strategisch klug hatte sie ein paar Augenblicke lang erstaunt geguckt und gezögert, und als er schon etwas irritiert um sich blickte, hatte sie mit verführerischer Stimme: »Ja, irre, das ist der Wahnsinn!« gemurmelt und lächelnd den Kopf geschüttelt.
    Er hatte verständnislos die Stirn gekraust. »Wahnsinn? Was meinen Sie damit? Was ist der Wahnsinn?«
    »Ja, so ein Zufall, sehen Sie, unsere Initialen sind gleich. G und H, Sie heißen Günter und ich Gertraud, Sie Hellmann, ich Halber. Das hat sicher was zu bedeuten. Garantiert!«
    Sie war nun mal ein spontaner Mensch. Das sollte er gleich wissen.
    Er hatte zweifelnd die Schultern gehoben. Breite Schultern in einem rostroten Strickpullover. Schultern zum Anlehnen.
    »Eine Bedeutung? Meinen Sie?«
    »Logo!« Sie hatte genickt und sich wohlgefühlt, als er sie lange und ausgiebig betrachtete. Es stimmte, der Schwangerschaftsspeck war noch nicht ganz weg, aber dafür hatte sie weibliche Formen, die er nicht zu verachten schien.
    »Hm. Wenn das so ist, lad ich Sie auf einen Kaffee ein, damit wir die Dinge noch weiter klären können.«
    Im Blauen Vogel, bei einer Kürbiscremesuppe mit Croutons, waren sie sich nähergekommen. Er hatte von seiner Arbeit als Bibliothekar erzählt, von all den Büchern, die er gelesen hatte und dass er sich hobbymäßig einem Projekt widmete, das er für sich Gläsernes Vilstal nannte und mit dem er schon die Wände seines Wohnzimmers bedeckt, also bereits fünfundvierzig Quadratmeter weißer Wand beschrieben hatte.
    Dann reichte er ihr seine Visitenkarte. In das Bild eines stilisierten aufgeschlagenen Buches waren rechts sein Name sowie seine Handynummer eingetragen: »Dr. Günther Hellmann«. Links waren seine Tätigkeitsfelder aufgelistet: Ahnenforschung – Genealogie – Ermittlung von Verwandtschaftsverhältnissen in Erbfällen (schnell und diskret) – Stammbaumanalyse und kompetente Hilfe bei der Erstellung von Familienstammbäumen.
    »Donnerwetter.« Gertraud blieb ein paar Sekunden lang sprachlos. »Was für ein interessantes Hobby! Da beneide ich Sie. Mit so was kriegt das Leben

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