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Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)

Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Schröger , Katharina Gerwens
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schon um Eulalia-Sophies willen.
    »Nicht dass es bei euch so endet wie bei uns. Wir leben nebeneinander her wie zwei Leute in einer Wohngemeinschaft, die nichts mehr voneinander wissen wollen, aber aus wer weiß welchen Gründen nach außen hin die heile Welt spielen. Aber ich hab mich arrangiert.« Sie hatte traurig ausgesehen.
    Bernhard war aber auch ein Ekel. Wie er sich über alles aufregte! Über die Papierverschwendung bei der schönen Fensterdekoration und sogar über die Energieverschwendung bei der Weihnachtsplätzchenbackerei. Er war das genaue Gegenteil von seiner Frau. Das fing schon mit dem Aussehen an. Tante Charlotte war eine gestandene Frau mit üppigen Körperformen. Alles an ihr war weich und einladend und offen. Ihr Gatte dagegen war ein dürres, knochiges Männlein, das sich nichts gönnte – außer Kaschmirschals und Kaschmirpullover. Als Tante Charlotte ihn kennenlernte, hatte sie gedacht, wer sich so kleidet, versteht es auch, die schönen Seiten des Lebens zu genießen. Was für ein Irrtum. Liebe machte anscheinend tatsächlich blind. Denn wenn es einer nicht verstand, das Leben zu genießen, so war das Bernhard. Immer jammerte er, und immer ging es ums liebe Geld.
    Er, der Baulöwe der ganzen Region, hatte Charlotte geheiratet, um ihrer beider Vermögen zusammenzulegen. Allerdings war es allein Charlottes Barschaft, mit der er seitdem waghalsig an der Börse spekulierte. Gleich nach dem Frühstück verschwand er in seinem Studio unter dem Dach und verschanzte sich hinter den drei Bildschirmen seiner drei Computer, von denen jeder ein »Parkett« im Blick hatte. Dann ließ er sich den ganzen Tag nicht mehr blicken.
    Wenigstens hatte er an diesem Heiligen Abend seinen Beobachtungsposten verlassen und war in dunklem Anzug und mit himmelblauem Kaschmirpullover zu ihnen ins geschmückte Wohnzimmer gekommen. Auch Gertraud hatte sich fein gemacht. Sie trug ein etwas zu enges schwarzes Kleid und um den Hals – allerdings nur als Leihgabe – Tante Charlottes dicke Goldkette. Günther kam in gebügelter Jeans und im Shetlandwollpullover, und weil das nicht ganz so elegant war, verschwand Charlotte bei seinem Eintreffen in ihrem Zimmer, entledigte sich taktvoll ihres Brokatdirndls und zog stattdessen eine graue Flanellhose und ein türkisfarbenes Oberteil an, auch wenn sie wusste, dass sie so etwas hausbacken wirkte.
    Stoisch und ohne eine Miene zu verziehen, hatte Bernhard die ganze Weihnachtszeremonie über sich ergehen lassen. Erst wurde gesungen, und Gertraud hatte Gelegenheit, dabei ihren Kirchenchorsopran zur Geltung zu bringen. Günther brummte ergriffen mit, Eulalia-Sophie starrte verzückt auf die Kerzen und die Weihnachtskugeln an der geschmückten Nordmanntanne, und Tante Charlotte bemühte sich um die zweite Stimme.
    »Was für ein entzückendes Baby«, stellte Günther fest, der das Kind zu diesem Zeitpunkt noch nicht zuordnen konnte.
    »Ja, das ist Eulalia-Sophie«, hatte Gertraud errötend gestanden und ihn dabei anmutig und – naturgemäß – etwas schuldbewusst angesehen. »Den Namen hat sie sich selbst ausgesucht. Wir hatten vorgeburtlichen Kontakt.«
    Später fragte sie sich oft, warum Günther gar nicht auf diesen Satz reagiert hatte, mit dem sie sonst alle Leute zur Verzweiflung brachte. War er schon so sehr der Kleinen zugewandt gewesen, dass er ihre Worte nicht mehr gehört hatte? Egal. Er schloss das in rosafarbene Rüschen eingepackte kleine Bündel gleich ins Herz.
    In der Küche, während sie die Weihnachtsgans zerteilte, zwinkerte Charlotte ihrer Nichte zu. »Da hast du dir einen ganz einen lieben Menschen ausgesucht. Einen so guten Mann. Ich freu mich für dich und wünsch euch alles erdenklich Gute.«
    »Das wünsch ich uns auch.« Gertraud seufzte und musste eine Träne verdrücken. Dann packte sie das Essen auf den Servierwagen und fuhr ihn in das festliche Wohnzimmer.
    Geduldig hatte sich Bernhard Döhring zwischenzeitlich Günthers Ausführungen zum Gläsernen Vilstal angehört und gelegentlich zustimmend genickt: »Interessant, da könnte sich durchaus so manche Verbindung offenbaren, die eine neue Geschichtsschreibung erfordert.«
    »In der Tat!« Günther war in seinem Element und sprach ein wenig lauter als sonst. »Also was ich bisher schon herausgefunden habe! Ich habe die wahren Verbindungen aufgetan. Ich weiß, wer mit wem verwandt ist und über welch verzwickte Wege sich die Bande des Blutes miteinander verflechten und wo – natürlich unwissentlich –

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