Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
hatte da schon meine Vorstellungen, und darüber ham wir auch miteinand geredt. Die Malwine, die hat keine Geheimnisse g’habt vor mir. Die hat mir alles erzählt. Und von einem Neffen hat sie nie was gesagt, weil es den nämlich gar ned gibt.«
Eisige Stille schien sich im Arbeitszimmer des Pfarrers auszubreiten und durch das Schlüsselloch bis in den Flur herauszuquellen.
Martha schluckte und hörte, wie ihr Bruder mit sanfter Stimme einwandte: »Halt mal, Waldmoser, eins interessiert mich aber nun doch: Hat denn jetzt dieser angebliche Neffe die Leiche verschleppt, und wenn ja, warum?«
»Genau!« Der Bürgermeister schien den Zeigefinger zu heben und ging wieder auf seinen Telefonpartner los. Martha fragte sich, ob er an der Qualität des kirchlichen Fernsprechers zweifelte. Denn er schrie so laut, als müsse er die knapp neunhundert Meter Luftlinie zur Polizeistation ohne technische Hilfe überbrücken. »Dass die Malwine nun gar ned begraben werden kann, weil irgendein Depp sie in die Rechtsmedizin nach Passau hat schaffen lassen, das weißt schon, oder? Also wenn ich den erwisch! Wenn da dieser saubere Herr Neffe seine Finger mit im Spiel hat, also das wird noch ein Nachspiel geben.«
Der Polizeiobermeister schien etwas einzuwerfen.
»Was? Du hast das veranlasst?«, brüllte Waldmoser. »Du hast die Untersuchung mit deinem Geld gezahlt, privat sozusagen? Ja spinnst du denn? Du bist mir unterstellt, nur mir! Du kannst nicht eigenmächtig unsere Leichen verschwinden lassen.«
Schweigen.
»Ist mir doch wurscht, dann ist es eben nur eine Leich. Aber das sag ich dir, die Brunnerin gehört mir, und ich bin allein für deren Bestattung zuständig. Du hättst mich informieren müssen! Lässt der einfach so die Leich abtransportieren, ja, wo san mir denn?«
Er schien auf Hochwürdens Zustimmung zu warten. Stille.
Martha fragte sich, warum der Waldmoser Markus nicht einfach den Hörer aufknallte, wie er es sonst so gern tat. Er schien trotz seiner Wut an Schmiedingers Informationen interessiert zu sein und sich weiterhin aufregen zu wollen – vielleicht brauchte er das ja auch, sich einmal am Tag so richtig zu empören und herumzuschreien, brauchte es so, wie ihr Bruder seine morgendlichen Gebete. Männer! Unverständliche Wesen.
»Ja, bist du denn total verrückt, die Kommissarin hast auch informiert? Wieso das denn? Diese großkotzige Kuh, die immer alles besser weiß? Was hat die denn mit uns zum tun? Gar nix.«
Wieder bekam Schmiedinger offenbar die Chance, sich zu rechtfertigen.
»Ja, logisch«, rief der Bürgermeister Augenblicke später. »Logisch wittert die da ein Kapitalverbrechen, schon von Berufs wegen – weil, sonst wär sie ja arbeitslos. Mei, wie blöd bist eigentlich? Das sieht doch ein Blinder mit Krückstock! – Hochwürden, du hältst dich da raus«, meinte der Waldmoser ganz plötzlich, und Martha ahnte, dass ihr Bruder sich anschickte, vermittelnd einzugreifen. »Das ist mein Polizist, und dem darf nur ich die Leviten lesen.«
Martha fand, dass das zu weit ging. Niemand gehörte irgendjemandem. Wenn man Glück hatte, bekam man die Zugehörigkeit zu einem anderen Menschen geschenkt. Und das hieß dann Freundschaft und war eine Gnade.
»Nein, nein, mit der Kommissarin musst schon du reden«, hörte sie nun wieder den Bürgermeister. Seine Stimme war nicht mehr ganz so laut. Anscheinend war die Phase der allergrößten Wut inzwischen abgeklungen. Oder Waldmoser war erschöpft, von seinem eigenen Gebrüll. »Jetzt pass mal auf: Ich will, dass du sofort klärst, wann wir unsre Malwine z’ruckkriegen, damit ich die Trauerfeier ausrichten kann. Nicht erst morgen brauch ich die Ansage, sondern sofort. Schließlich bin ich grad hier beim Pfarrer, um die Termine festzumachen. Und hier rufst mich dann auch z’ruck. Dass das klar ist. Wir legen jetzt beide auf, und du sprichst sofort mit der Hausmann. Und lass dir bloß ned irgendeinen Schmarrn einreden. Die Brunnerin ist unsere Sach. Ist das klar? Ich wart hier.«
Dann knallte er den Hörer aufs Telefon.
Martha schlich in ihre Küche zurück und deckte hörbar Suppentassen und Teller auf. Dazu ein wenig Geklapper mit dem Besteck. Der Nudelauflauf duftete aus dem Backofen und hatte bereits eine goldgelbe Kruste. Sie fragte sich, was ihr Bruder wohl von diesem Gespräch beim Mittagessen berichten würde. Vermutlich nichts. Wie immer.
Aber dann kam es doch so anders, dass Martha beschloss, wieder an Wunder zu glauben. Ihre Agnes saß da
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