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Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)

Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Schröger , Katharina Gerwens
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doch richtig Sinn, oder?« »Na ja, kann man schon sagen«, murmelte er und wurde ein klein wenig rot. Wann zuletzt hatte ihm jemand so intensiv zugehört, wann war jemand so interessiert an ihm gewesen? »Ganz so einfach ist es aber auch nicht, gerade die Geschichte des Vilstals ist komplex und vielgestaltig.«
    Und dann erzählte er, dass das Gebiet um Landau an der Isar bereits seit mehr als fünftausend Jahren durchgehend besiedelt war und klagte darüber, dass ihm nur Dokumente der letzten tausend Jahre zur Verfügung standen. Davor hatte niemand etwas aufgeschrieben.
    »Wirklich schade«, meinte Gertraud voller Teilnahme, und er gestand ihr begeistert: »Der erste, den ich so richtig einordnen konnte, war Ludwig, Herzog von Bayern, der die Stadt Landau um 1200 erbauen ließ. Ihm habe ich übrigens einen Ehrenplatz in meinem Gläsernen Vilstal eingeräumt.«
    »Wohlverdient, wie ich meine.« Gertraud fühlte sich wie eine Frau von Welt.
    »Landau ist die sechstälteste Stadt Niederbayerns und kommt noch vor Deggendorf und Dingolfing. Ein ganz schrecklicher Tag für die Geschichte Landaus war übrigens der 29. Juni 1504.«
    »Wirklich? Was ist da passiert?«
    »Im Landshuter Erbfolgekrieg wurde unser schönes Städtchen fast vollkommen niedergebrannt, einfach plattgemacht, und dabei verlor es sein mittelalterliches Flair. Für mich als Genealoge wird’s jedoch ab 1859 so richtig interessant, denn in diesem Jahr wurden die Englischen Fräulein bei uns aktiv und gründeten eine ›Rettungsanstalt für Waisen und verwahrloste Kinder in Landau‹. Auf meiner Karte des Gläsernen Vilstals sehen Sie Clusterbildungen und Häufungen, da können Sie Verbindungen herstellen, dass Ihnen Hören und Sehen vergeht.«
    Sie sah ihn bewundernd an und verstand zwar nicht genau, was er meinte, glaubte ihm aber.
    »Es liegt glücklicherweise in der Natur der hier geborenen Leute«, fuhr er fort, »dass sie sich nicht zu weit von ihrem Herkunftsort entfernen. Insofern bin ich ganz zuversichtlich, dass ich irgendwann alle Verwandtschaftsverhältnisse aufgedeckt haben werde.«
    »Auch meine?« Sie klang kokett.
    »Ja, auch Ihre, gerade Ihre.« Er blieb ernst.
    Als die Juniorwirtin Teres Schachner das nächste Mal vorbeikam, bestellte er den vierten oder fünften Kaffee des Nachmittags sowie zwei Teller mit Zwetschgendatschi und viel Sahne und bot Gertraud das Du an. Sie gaben sich verstohlene Küsse auf die Wangen. Gertrauds Herz hüpfte. Sie hatte einen so dicken Kloß im Hals, dass sie kaum sprechen konnte. Er suchte ihren Blick und nahm dann ihre Hand.
    »Und was ist mit dir? Erzähl doch mal aus deinem Leben.« Er schien wirklich interessiert.
    Sie schluckte und begann zu berichten. Gab Auskunft über alles. Nur nicht über das Kind. Dafür war es noch zu früh.
    »Was, beim Landauer Anzeiger arbeitest du?« Er schien es als Pluspunkt zu verbuchen.
    Sie nickte. »Ja, aber momentan mach ich eine kleine Pause – sozusagen um zu mir selbst zu finden.«
    Das Wort Elternzeit hätte ihn erschrecken können.
    »Ein Sabbatical, ja, darüber habe ich auch schon oft nachgedacht«, gestand er. »Da bewundere ich dich, dass du dir das einfach so nimmst. Aber du machst es richtig.«
    Und dann war er wieder auf sein Lieblingsthema zurückgekommen: auf sein Gläsernes Vilstal.
    Dass sie eine Tochter hatte, erfuhr er erst zu Weihnachten. Gertraud hatte ihm ihr Kind in den ersten Wochen der Verliebtheit rigoros verschwiegen. Wenn sie spätnachts heimkam und sich über die Kleine beugte, quälte sie das schlechte Gewissen. Tante Lotti aber fand ermutigende Worte: »Ihr braucht nun mal Zeit. So eine Liebe muss wachsen, und wozu gibt es das Weihnachtsfest, das Fest der Geburt Christi, das Fest aller Neugeborenen? Das bietet sich doch regelrecht an, um ihm die Kleine vorzustellen.«
    »Meinst du wirklich?«
    Sie nickte.
    Und so organisierte Charlotte Rücker das erste gemeinsame Weihnachtsfest von Günther und Gertraud in ihrem Haus in Kleinöd. Gertraud dachte gern daran zurück. So schön war alles geschmückt. Überall flackerten Kerzen. Es duftete nach Weihnachtsgebäck und Zimt. An die Fensterscheiben hatten sie Scherenschnittsterne geheftet, für deren Herstellung sie mehrere Nachmittage gebraucht hatten. Wunderbare Nachmittage mit intimen Gesprächen von Frau zu Frau.
    Damals hatte Charlotte ihrer Nichte gestanden, dass die Ehe mit Bernhard Döhring ein Irrtum war, und ihr versichert, dass sie sich diesen Günther ganz genau ansehen werde,

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