Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
Döhring. Du müsstest dich noch an die zwei erinnern. Falls du heute noch deine Geräte abhörst, ruf mich auf dem Handy an. Ansonsten erwarte ich dich morgen früh – ja, ich weiß, das ist ein Sonntag – um neun an deinem Schreibtisch, alles klar?«
»Der macht’s richtig«, rief ihr Mann, der das Gespräch mit angehört hatte. »Dein Kollege hat dir eins voraus. Er kann wirklich abschalten.«
»Abschalten?« Franziska wickelte sich einen grünen Schal um den Hals. »Red lieber von Einschalten. Der hat all seine Geräte eingeschaltet, nur um dreisprachig zu verkünden, dass er nicht zu sprechen ist: Anrufbeantworter, Mailbox und was weiß ich.«
»Eben, einschalten, um abschalten zu können.« Christian nickte nachdenklich.
»Dann muss ich halt vorerst mit dem Schmiedinger Adolf zusammenarbeiten. Nach all der Zeit könnte man uns fast als eingespieltes Team bezeichnen.« Ihr Lächeln wirkte ein bisschen gequält.
»Weißt, am besten löst ihr dann diesen Malwine-Brunner-Fall gleich mit – dann lohnt es sich wenigstens.« Mit hängenden Schultern zog sich Christian in sein Arbeitszimmer zurück.
»Du bist wirklich finster drauf«, murmelte Franziska und schüttelte den Kopf. Die Viele-Welten-Theorie hatte ihn offensichtlich etwas mitgenommen.
»Christian«, rief sie. »Ich bin dann mal weg! Kann später werden.«
»Ich weiß.«
Hinter ihr fiel die Tür ins Schloss.
Franziska hasste es, nachts zu fahren. Die Dunkelheit hier draußen auf dem Land schien dichter und kompakter zu sein als in der Stadt. Oder lag es daran, dass um diese Zeit außer ihr so gut wie niemand mehr unterwegs war? Gerade zum Fahren hätte sie Bruno gebraucht. Nachts und allein in ihrem Wagen hatte sie immer das Gefühl, mit dem Scheinwerfer die Straße, ja die ganze Welt neu erfinden zu müssen. Und wehe, sie war nicht wachsam! Dann gäbe es plötzlich keine Straße mehr, und sie fiele in ein schwarzes Loch. Auch wenn sie wusste, dass das Schwachsinn war – die Angst blieb.
Zur gleichen Zeit saß Polizeiobermeister Adolf Schmiedinger in seiner Dienststelle hinter dem Schreibtisch und wartete auf »seine« Kommissarin aus Landau. Sie hatte sich hier mit ihm verabredet, und das war ihm nur recht, denn so hatte er vorher noch kurz mit Frieda sprechen und sich von ihr beruhigen lassen können.
»Ich versteh des ned, wieso immer bei uns? Drüben in Großöd-Pfletzschendorf ist noch nie jemand gewaltsam ums Leben gekommen, zumindest ned in den letzten fünfzig Jahren. Das tät ich nämlich wissen! Dorthin hätt ich mich versetzen lassen sollen, damals, als ich zurückwollte in mein Dorf. Einfach fünf Kilometer weiter. Da hätt ich einen ruhigen Job gehabt und müsst grad einmal pro Jahr in einem Fahrraddiebstahl ermitteln.«
»Schau, Adolf, dafür kriegst ja jetzt auch Hilfe«, sagte Frieda. »Du schaffst das schon. Du hast schon so viele komplizierte Fälle gelöst, da packst auch diesen. Ganz gewiss.«
Der Schmiedinger Adolf aber war sich überhaupt nicht sicher.
Die Spurensicherung hatte Scheinwerfer in die Einfahrt des Anwesens Döhring-Rücker gestellt und platzierte nun ihre Nummernschildchen für die Tatortfotos. Durch das Glas der Eingangstür sah man in der hell erleuchteten Diele eine verzweifelt weinende Gertraud Halber. Neben ihr stand, kreidebleich und mit hochgezogenen Schultern, Charlotte Rücker und schüttelte sprachlos den Kopf. Derweil bemühte sich die kleine Eulalia-Sophie um die Aufmerksamkeit ihrer Mutter. Sie hatte ausgerechnet heute laufen gelernt, und vor noch gar nicht so langer Zeit waren ihre ersten tapsenden Schritte bejubelt und wie ein Weltwunder gefeiert worden. Jetzt aber weinte die Mama, und auch Tante Charlotte war nicht ansprechbar, und draußen lag der nette Onkel und wurde von Scheinwerfern angestrahlt, während der alte Onkel schon wieder in sein Studio unter dem Dach verschwunden war.
Auch die Nachbarn Eduard und Ottilie Daxhuber standen in der Einfahrt des Unglückshauses und verfolgten akribisch die Handlungen der Spurensicherung. Als hätten sie wartend hinter ihrer Tür gestanden, waren sie bereits beim ersten Schrei der unverheirateten Witwe aus dem Haus gestürzt und überwachten seitdem die Arbeit der Kriminaltechnik.
»Wie, die Kommissarin kommt zu dir in die Dienststelle?«, hatte Eduard diensteifrig die spärlichen Informationen seines Freundes Adolf kommentiert und gleich einen guten Ratschlag parat gehabt: »Dann ist es schon besser, du gehst auch dahin und wartest dort auf
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