Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
sie. Wir passen so lange auf.«
Dabei wäre das gar nicht nötig gewesen, denn die Kriminaltechnik hatte alles im Griff, und inzwischen hatten sich schon das halbe Dorf, zumindest aber sämtliche Gäste des Blauen Vogels an der Unglücksstelle versammelt. Da wurde geraunt und verhalten geflüstert. Fremde waren nicht dabei. Der Blaue Vogel hatte sich zu einem Vertreterhotel gemausert, was bedeutete, dass dort nur von Montag bis Freitag Durchreisende nächtigten. Und heute war Samstag.
Adolf sah währenddessen aus dem Fenster in die dunkle Nacht und murmelte vor sich hin: »Erst Malwine und jetzt dieser Mann, mitten aus dem Leben gerissen, ich versteh das alles nicht.«
Vorgestern noch war die Ermittlung zum Tode der Brunner Malwine eine Art Privatangelegenheit zwischen ihm und Franziska Hausmann gewesen, und nun hatte der Staatsanwalt ihn persönlich gefragt, ob er der Kommissarin bei den Kleinöder Ermittlungen im Falle Hellmann zur Seite stehen würde, falls es mit dem Personal eng würde. Darauf war Adolf schon ein bisschen stolz, trotz allem – auch wenn der Anlass schrecklich war.
»Des hätt’s wirklich ned braucht, einen neuen Toten«, hatte er vorher noch seiner Frieda gestanden.
»Man kann’s sich nicht aussuchen«, hatte die Frieda erwidert.
»Wenn ich nur wüsst, wer das ist, die Leich. Also g’sehn hab ich den schon ein paarmal, der war früher auch öfters beim Bürgermeister, glaub ich, aber dann zu den ganz offiziellen Dienstzeiten, sodass ich immer denkt hab, das wär auch einer vom Amt. Also was der an einem Samstag bei uns im Dorf macht – keine Ahnung. Und weißt, Frieda, stell dir vor, die Halber Gertraud, also die hat behauptet, dass das ihr Verlobter ist. Wusstest du, dass die ein G’spusi g’habt hat?«
»Das erklärt doch einiges«, meinte Frieda. »Wenn das ihr Verlobter ist, dann kommt er sie natürlich am Wochenend besuchen.«
»Meinst, dass den jemand aus Eifersucht niedergeschossen haben könnt?«, fuhr Adolf dazwischen und wartete auf den Kommentar seiner Freundin. Aber wenn er ganz ehrlich war, konnte er sich das einfach nicht vorstellen. Eifersuchtsdramen – das war was für Filme und für die Oper. Mit Frieda und dem Großöd-Pfletzschendorfer Kulturverein hatte er vor einigen Wochen eine Busreise nach Verona gemacht. Dort hatten sie in der Arena La Traviata gesehen. Es war eine ewig lange Veranstaltung gewesen, aber danach hatte es eine köstliche Pizza gegeben. Das konnten sie, diese Italiener!
Diese kränkelnde Violetta in der Hauptrolle machte echt alle Männer verrückt, konnte wunderbar singen und tanzen und starb dann einfach nach drei Stunden Aufführung. Adolf Schmiedinger musste sich eingestehen, dass er das irgendwie gerecht gefunden hatte. »Es gibt einfach zu viele depperte Weibsbilder, die nie g’nug kriegen können«, hatte er auf der Heimfahrt doziert: »Aber weißt, was ich überhaupt ned verstehn kann, wieso die ausg’rechnet bei diesem komischen Stück so viele berühmte Lieder gesungen ham.«
Nun saß Adolf Schmiedinger in seinem Büro und fragte sich, ob mit der Erderwärmung wohl auch die Leidenschaft nach Niederbayern gekommen war. Wenn wir jetzt hier schon so ein Klima haben wie die Italiener vor hundertfünfzig Jahren, könnt das doch sein, dachte er. Nun hatte die Halber Gertraud aber nicht die Ausstrahlung einer Violetta, außerdem hatte er sie bisher weder singen hören noch tanzen sehen – sie wirkte eher so, als sei sie weder für das eine noch für das andere besonders talentiert. Nein, die war nicht der Typ, um die man kämpfen würde.
In diesem Augenblick leuchteten Scheinwerfer auf, und ein Auto hielt vor seiner Dienststelle. Endlich, die Kommissarin war da!
Adolf Schmiedinger stürzte auf die Straße und winkte ihr zu: »Fahrn mir am besten gleich weiter, Frau Kommissarin, mei, bin ich froh, dass Sie gekommen sind. Die Leich ist da drüben.«
»Schrotkugeln«, sprach Gustav Wiener in sein Diktiergerät und begrüßte die Kommissarin mit einem Nicken. »Niedergestreckt wie ein Stück Niederwild. Da ist nichts mehr zu machen.« Dann beugte er sich wieder über den Gegenstand seiner Untersuchung.
Franziska sah sich schweigend am Tatort um.
Da parkte der auberginefarbene Honda des Opfers, die Beifahrertür stand immer noch offen, neben dem Toten lagen zwei Bilderbücher, eines davon war aufgeklappt und zeigte ein watschelndes flauschiges Entenküken auf knatschgrüner Wiese. Inmitten des Scheinwerferlichts und des Dauerklickens
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