Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
von Fotoapparaten, in all diesem Durcheinander von Gemurmel und abrupten Anweisungen, wirkte das gelbe Entlein eigenartig friedlich.
In seiner Eigenschaft als unmittelbarer Nachbar des Unglückshauses sowie als engster Vertrauter des Polizeiobermeisters trat Eduard Daxhuber nun an die Kommissarin heran. Er fühlte sich offensichtlich zu einer Erklärung verpflichtet und wies mit der rechten Hand auf die Bücher. »Die wollt er grad holen, weil die Kleine heut ihre ersten Schritte gemacht hat, sagt die Gertraud, wissen S’, als Belohnung für des Butzerl. Und kaum war er vor der Tür, da hat’s auch schon geknallt. Meine Otti und ich, wir standen grad im Hausflur und haben den Schuss gehört, ein Schuss war es nur – und wir sind natürlich gleich naus – aber g’sehn ham wir nix mehr, war ja auch schon a bisserl dunkel. Mei o mei, ein Unglück jagt des andre.« Er schüttelte den Kopf.
»Kennen Sie den Toten?«
»Vom Sehn halt, richtig kennen tun mir den ned. Aber soweit ich weiß, ist das wohl der Freund oder gar Verlobte von der Halber Gertraud, was ja die Großnichte von der Rücker Charlotte ist, und die wohnt hier während ihrer Elternzeit. Hab ich g’hört. Also seit dem Frühjahr ist die sicher schon mit dem beisammen …« Nachdenklich vollendete er seinen Satz mit einem »gewesen«.
»Gar nicht wahr«, unterbrach ihn seine Frau Ottilie, die sich mit einer tragischen Geste die rechte Hand auf die linke Brust gelegt hatte. So wusste jeder auf Anhieb, dass sie es am Herzen hatte. »Wissen Sie, Frau Kommissarin, Weihnachten war der nämlich auch scho da. Ja, so ein netter Herr aber auch und so fürsorglich mit dem Kind. Mei, immer trifft’s die Besten.«
»Was willst denn nachad damit sagen?« Eduard sah sie fragend an.
»Nix!« Sie schniefte und suchte nach einem Taschentuch.
»Vom Sehen hab ich den auch gekannt«, raunte Adolf Schmiedinger der Kommissarin zu und vergrößerte in seiner Eigenschaft als Ordnungshüter den Radius um das Opfer und um die Leute von der Spurensicherung.
»Herrschaftszeiten, nun geht halt amal a bisserl zur Seiten, wie solln mir denn da arbeiten, wenn ihr alle eure Schatten werft!«
Der Gerichtsmediziner winkte die Kommissarin zu sich und hielt ihr zwischen Daumen und Zeigefinger etwas entgegen. »Schauen Sie mal, offensichtlich wurde das Opfer durch eine Garbe solcher Schrotkugeln tödlich getroffen. Ich schätze, das war eine doppelläufige Schrotflinte Kaliber zwölf. Ich kenn so was von Treibjagden. In einer Patrone können bis zu zweihundert Kügelchen stecken. Das wird noch eine Pusselarbeit!« Er seufzte demonstrativ und mit klammheimlicher Zufriedenheit. Sein Wochenende war gerettet. Er musste nicht zurück in seine ungemütliche Wohnung und Zeit absitzen. »Grob geschätzt«, fuhr er fort, »würd ich sagen, dass der Schütze höchstens acht bis zehn Meter vom Opfer entfernt gestanden hat. Auf keinen Fall weiter weg. Sonst hätte es nicht so große Einschläge gegeben.«
Franziska sah sich um. Nach Gustav Wiener also hätte sich der Todesschütze in den gegenüberliegenden Vorgärten oder hinter der Buchenhecke des Rückerschen Grundstücks aufhalten müssen. Möglicherweise hatte er sich vor dem Anschlag auf dem bereits winterfest eingepackten Grundstück der Bildhauerin hinter einer der Skulpturen verschanzt und in aller Ruhe das Auftauchen seines Opfers abgewartet.
»Wo ist eigentlich die Frau Binder in diesem Jahr?«, wollte sie vom Polizeiobermeister wissen.
Bevor Adolf Schmiedinger antworten konnte, hatte Eduard Daxhuber schon das Wort ergriffen und sich gestikulierend vor der Kommissarin aufgebaut. »Stellen Sie sich des mal vor. Die ist doch tatsächlich vom koreanischen Kulturinstitut in dene ihr Land eing’laden worden und stellt ihre grauslichen Gestalten nun bei den Schlitzaugen vor. Die werden dann garantiert denken, dass alle deutschen Leut so aussehen wie der Binder ihre Figuren. Aber des ist vielleicht auch ganz gut so. Wer weiß. Dann kommen die ned mehr in unser Land, weil die sich fürchten vor uns. Auf jeden Fall macht sie da jetzt eine drei Monate lange Tournee – dabei ist die doch weder eine Opernsängerin noch ein Popstar. Ich versteh’s ned, na ja, muss ich auch ned verstehen. Es geht mich ja auch nix an.«
Nachdenklich sah Franziska auf das Haus der Bildhauerin und die üppigen Blumen und Sträucher, die ausschließlich weiße Blüten trugen. Immer, wenn sie hier gewesen war, hatte es auch ein kleines Gespräch mit der
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