Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
Schwiegerneffen oder was auch immer das für ein Verwandtschaftsgrad ist, aus dem Weg haben wollte, hätte der schon jemanden gefunden, der die Drecksarbeit für ihn übernimmt, und das hätte er sich sogar was kosten lassen, dieser alte Geizkragen.«
»Aber warum? Das war doch so ein netter junger Mann, der Bibliothekar, der tut doch keinem was. Ich verstehe es einfach nicht. Bruno, weißt du was, wir recherchieren jetzt erst mal, was für ein Typ dieser Hellmann war. Wie hat er gelebt, was sagen seine Freunde über ihn? Hat er sich möglicherweise bedroht gefühlt in letzter Zeit, war er irgendwie anders als sonst? Das könnte ich übernehmen, weil du ja nicht mit der Halber sprechen willst. Dafür gehst du zum Bürgermeister und sprichst mit ihm über die Treiber. Warte, ich druck dir schnell die Liste aus. Der Waldmoser soll zu jedem seiner Treiber was sagen: Warum er ihn eingeladen hat, wie er zu ihm steht und was das für ein Typ ist. Kleine Charakterkunde. Wir können gemeinsam rausfahren und uns dann im Gasthaus Blauer Vogel wieder treffen.«
Bruno gab ihr recht. »Genau, dort ist ja auch der Otmar, und der wird sicher gerne seinen Senf zur ganzen Sache geben.«
Kapitel 9
Martha Moosthenninger räumte gerade das Geschirr ihres karitativen Mittagessens in die Spülmaschine, als es an der Haustür klingelte. Wie an jedem Sonntag hatte sie auch heute wieder für die Armen und Bedürftigen gekocht, wobei es inzwischen leider nur noch einen Notleidenden in ihrer Gemeinde gab, und der würde vermutlich auch nicht mehr lange kommen, denn Leopold Schmiedinger, der bettelarme Vetter des Polizeiobermeisters, hatte schon angekündigt, dass er bei seinem Cousin mitessen konnte. »Wissen Sie, der hat jetzt endlich wieder eine Frau.« Doch so lange er noch kam, genoss sie es, für zwei Herrn zu kochen und mit zwei Männern zu Mittag zu essen. Na ja, der Begriff Männer musste in diesem Falle etwas relativiert werden.
Der eine war ihr Bruder und Pfarrer, also ein sehr neutrales und schon fast heiliges Wesen, und der andere hatte mehr als vierzig Jahre seines Lebens in der Justizvollzugsanstalt Straubing verbracht und somit keine Ahnung vom wirklichen Leben und schon gar keinen Plan, wie man mit einer Dame, wie sie es war, umging.
»Jessas naa, da wird doch wohl keiner im Sterben liegen, heute am heiligen Sonntag«, murmelte sie, nahm sich im Gehen die Schürze ab und eilte durch den langen Flur zur Haustür.
Im Gang roch es nach Sauerbraten, und sie dachte, sie hätte lüften müssen. Immer wieder vergaß sie zu lüften. Ihre Herren erinnerten sie nicht daran, weil sie nicht so feine Nasen hatten. Zudem hatte sich Wilhelm gleich nach dem Dankesgebet mit wohlig gefülltem Magen schlafen gelegt, und der Leopold war auf direktem Wege wieder in sein Gartenhäuschen zurückgekehrt, weil er seine beiden Wellensittiche nicht so lang allein lassen wollte.
»Ja?« Sie öffnete die Tür vorsichtig und bemühte sich darum, betroffen, aber auch ein wenig fürsorglich zu schauen. Man wusste ja nie, welche Hiobsbotschaften einen am helllichten Sonntag erwarteten.
Den jungen Mann, der sie anlächelte und sich höflich verbeugte, hatte sie noch nie gesehen.
»Sind Sie Frau Moosthenninger?«
Sie nickte.
»Ich heiße Ägidius Alberti und bin im Auftrag des Bistums Regensburg hier. Es geht um Ihre Eingabe wegen einer Seligsprechung.«
»Das wurde aber auch mal Zeit«, rutschte es ihr heraus. Sie griff ihn am Ärmel und zog ihn in den Flur. »Kommen Sie herein.« Sie führte ihn in das Besprechungszimmer ihres Bruders und offerierte ihm einen Kaffee.
»Da sag ich nicht Nein.« Er war ein wenig blass um die Nase, vermutlich schon seit dem frühen Vormittag unterwegs, und sicher hatte er auch noch nichts gegessen, so dünn wie der war.
»Momenterl!«
Während sie in der Küche die Kaffeemaschine bediente, triumphierte sie. Man musste sich halt mit allem gleich an die richtige Stelle wenden. Seit mehr als drei Monaten schon wartete sie auf eine Nachricht des Bischofs, aber kaum hatte sie dem Papst persönlich geschrieben, schon kamen die Dinge ins Rollen.
In ihrem Brief an den Heiligen Vater hatte sie klugerweise als Erstes darauf hingewiesen, dass sein Geburtsort Marktl am Inn und ihr jetziger Wohnort Kleinöd kaum vierzig Kilometer auseinanderlagen, sodass sie, in Relation zur ganzen Welt gesehen, ja quasi Nachbarn gewesen waren. Außerdem hatte sie ihn mit ihrer weiblichen Logik zu überzeugen versucht: Beim Johannes Paul
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