Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
unterbrach Ägidius Alberti das Gespräch.
Meinrad nickte. »Sieht ganz so aus.«
»Bisher sagen die doch alle, dass es ein Kreislaufkollaps war«, gab Martha kopfschüttelnd zu bedenken. »Und jetzt sagst du, dass da was nicht stimmt. Vielleicht eine Tablettenvergiftung? Warum erzählen die dann so einen Schmarrn? Die wird sich doch nicht das Leben genommen haben. Die Malwine? Nein, das glaub ich nicht.«
Meinrad Hiendlmayr ging nicht auf sie ein. »Also das will ich auf jeden Fall noch geklärt haben. Vorher lass ich sie nicht begraben. Das bin ich ihr schuldig. Und was für Substanzen könnten das denn überhaupt sein?« Er kämpfte mit den Tränen.
»Recht hast«, bestärkte ihn Martha. »Mein Gott, wer tut denn nur so was!« Sie faltete die Hände. »Hast du eigentlich schon von dem Unglück mit dem Hellmann Günther gehört?«
Er nickte. »Ja, die Kommissarin hat davon erzählt. Die sehen da möglicherweise einen Zusammenhang zwischen den beiden Todesfällen.«
Martha seufzte. »Es stimmt schon, ein Unglück kommt selten allein.«
Ganz kurz schoss ihr durch den Kopf, dass sie sich nun eigentlich auch des jungen Hiendlmayr annehmen müsse. Immerhin war er der Neffe ihrer wundertätigen Agnes und ein leibhaftiger Verwandter. Aber dann fiel ihr Wilhelms Reaktion auf Ägidius Alberti ein, und sie verwarf diesen herzensguten Gedanken. Noch einen Gast würde der in ihrem Haus nicht dulden.
»Übrigens bin ich, gleich nachdem ich aus Landau gekommen bin, auch noch beim Schmiedinger Adolf vorbeigefahren«, berichtete Meinrad. »Und der Polizeiobermeister hat mir bestätigt, dass auch er beim Tod von der Malwine gleich so ein komisches Gefühl gehabt hat. Deshalb hat er gegen den anfänglichen Willen des Staatsanwalts eine Privatobduktion angeordnet. Da wusste der ja noch nicht, dass es einen Verwandten gibt. Also, das hätt ich dem gar nicht zugetraut. Dass der sich so einsetzt. Der Schmiedinger hat echt befürchtet, wenn Malwines Leichnam erst mal in der Obhut der Gemeinde sei, würde der Bürgermeister sie sofort in Vilshofen verbrennen lassen. Ruck, zuck machen die das da, hat der Schmiedinger gesagt.«
»Ich glaub’s nicht.« Martha riss die Augen auf.
»Natürlich kriegt er das Geld von mir wieder«, versicherte Meinrad ihr. »Ich hab ihm gleich gesagt, dass ich die Rechnung für die Autopsie bezahlen werde. Mei, wenn der nicht so vorsorglich mitgedacht hätte …« Er beugte sich vor und griff nach einem Keks. »Die hat übrigens die Malwine gebacken. Sie sagt, dass die eigentlich nur aus Haferflocken, Honig, gedörrten Himbeeren und ihrem ganz speziellen Geheimnis bestehen. Ich finde sie besonders gut.«
Ägidius Alberti nickte anerkennend und mit vollem Mund.
Sie schwiegen eine lange Minute und in diesen sechzig Sekunden begriff Martha Moosthenninger, dass ein mit einem Schweigegelübde verbundenes Klosterleben für sie die Hölle wäre. Sie hatte oft mit ihrem Schicksal gehadert und gemeint, sie hätte in einen Orden eintreten sollen, anstatt für ihren Bruder zu sorgen. Jetzt und in dieser Sekunde wusste sie, dass sie genau das Leben führte, das ihr bestimmt war. Sie war ausersehen als Dokumentarin der Wundertätigkeit der Agnes Harbinger und als Initiatorin ihrer Selig- und Heiligsprechung.
Zufrieden nahm sie den letzten Keks aus der Porzellanschale und begann, von Malwine zu schwärmen. Meinrad hing an ihren Lippen, und alles, was sie sagte, war insgeheim auch eine Botschaft an Bruder Alberti, den Spion des Himmels.
»Weißt, ich bin immer nach dem Frühstück zur Agnes und zur Malwine hochgefahren, weil die Agnes von zehn bis zwölf und von fünfzehn bis siebzehn Uhr ihre Sprechstunden abgehalten hat. Jeden Tag vier Stunden lang, außer sonntags, da ist sie ja in die Kirche gegangen, wie es sich für einen echten Christenmenschen gehört.« Sie warf einen Kontrollblick auf Ägidius Alberti und wandte sich erneut an Meinrad. »Verstehst, ich musst ja dabei sein, wenn die Leut zu ihr kamen, vor allem um die wundertätigen Heilungen und die Weissagungen der Agnes zu dokumentieren. Alles hab ich aufg’schrieben. Hier drin!« Sie zog ein in lilafarbenes Leder gebundenes Notizbüchlein aus der Handtasche und hielt es hoch. »Und die Malwine war so gut und hat dann gleich für den Wilhelm und mich mit gekocht, sodass ich das Essen im Pfarrhaus nur noch in den Ofen stellen musste … sonst hätt ich diese Doppelbelastung überhaupt nicht packen können.«
Auf die Stichworte Essen und Ofen folgte
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