Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)
als Irrtum erweisen, wenn der, den er anrief, eine andere Auskunft gab als die, die er erwartete.
Es dauerte eine Zeit, bis sich jemand meldete.
»Wiener, Rechtsmedizin Landau?«
Meinrad schluckte. »Ich war vorgestern bei Ihnen, wegen der Blutprobe. Sie wollten checken, ob ich wirklich mit der Brunner Malwine verwandt bin.«
»Ja, Moment, die Ergebnisse sind schon da.«
Meinrad hörte es im Hintergrund klappern.
»Ich weiß ja jetzt nicht, was Sie hören wollen«, meinte Dr. Wiener, »aber das Resultat ist positiv. Es gibt ungewöhnlich viele Übereinstimmungen in der DNA.«
Meinrad Hiendlmayr schluckte. Ihm fiel ein Stein vom Herzen, und er konnte sich selbst nicht erklären, wieso und warum er sich im gleichen Maße traurig und stolz und selbstbewusst fühlte. Und wieder fiel ihm Malwine ein. Die hatte es gewusst und ihm schon bei ihrer ersten Begegnung prophezeit: »Wenn du weißt, wer du bist, musst du dich nicht mehr verstecken und kannst sein, wie du bist. Und dass du es weißt: Du bist ein schöner und kluger und stolzer Mann.« Dabei hatte sie ihn so angesehen, dass er ahnte: Er war das Beste, was ihr in den letzten Jahren begegnet war. Zumindest das Zweitbeste, denn an erster Stelle stand immer noch ihr Hund Joschi.
Jetzt war er der Letzte seines Stammes. Ein Gedanke, der ihm Angst machte, zugleich aber verlieh ihm diese Position neue Verantwortung und große Bedeutung, denn als Erbe des Brunneranwesens würde er einer der größten Grundbesitzer der Gemeinde sein.
Mit einer ihm neuen und energischen Stimme rief er Hochwürden Moosthenninger an und besprach mit ihm die Dinge, die besprochen werden mussten. Anschließend reichte er für den nächsten Samstag einen Urlaubstag ein.
An diesem Nachmittag regelte er von seiner Arbeitsstelle aus viele private Dinge. Wie selbstverständlich stand er hinter der Theke mit seinem Computer und führte Telefonate. Noch vor einer Woche hätte er sich das nicht getraut, und ein bisschen erschrak er nun über sich selbst und seine Souveränität. Seitdem er sich insgeheim nicht mehr Hiendlmayr, sondern Harbinger nannte, denn so hätte er geheißen, wenn sein Vater sich zu ihm bekannt hätte, war er auch ein anderer Mensch geworden. Ein Großgrundbesitzer, einer, der was zu sagen hatte.
Dann stand noch eine Nummer auf seiner Liste, bei der anzurufen ihm besonders schwerfiel. Er sprach sich immer wieder Mut zu und sagte sich, dass Malwine es genauso gewollt hätte und dass auch Martha ihn sicher verstehen würde.
Sobald er alles geklärt und aufgelegt hatte, wählte er Marthas Nummer. Sie klang, wie so oft, gehetzt und atemlos.
»Der Bruder Agidius und ich essen grad zu Mittag. Ich wollt dich auch schon anrufen wegen der Bestattung von der Malwine am Samstag. Du, die Malwine kommt dann schon zu ihrem Mann und ihrem Sohn in denen ihr Familiengrab, oder? Mit dem Sohn war sie nämlich ganz inniglich verbunden.«
»Natürlich soll sie bei dem Hannes und dem Hermann liegen, das ist doch eh klar.«
»Da bin ich aber froh. Und du? Warum rufst du an? Ist was passiert?«
»Nein, nichts. Ich wollt nur wissen, ob du eine Kühltruhe hast.«
»Eine Kühltruhe, ja freilich, warum?«
»Das Schwein wird geschlachtet!«
»Um Gottes willen, Junge, versündige dich nicht.« Sie schnaufte und sah Hilfe suchend zu Ägidius Alberti. Vielleicht konnte der kraft seiner Gedanken das befürchtete Unheil abwenden.
»Welches Schwein?«, fragte sie dann leise nach.
»Die Fanny halt. Malwines Fanny. Grad hab ich mit dem Metzger gesprochen, und der hat gesagt, dass er sie morgen abholen könnte. Ich kann da oben keine Tiere halten und füttern, wo ich mir selbst doch nix koch. Außerdem muss ich jeden Tag auf die Arbeit. Jetzt weiß ich bloß nicht, wohin mit dem ganzen Fleisch.«
»Die Fanny, ach so!« Martha klang jetzt ungemein erleichtert. »Ja, für einen Schweinsbraten und ein paar Würschtel hab ich immer Platz. Dann kriegst du jedes Mal, wenn du vorbeikommst, eine schöne Brotzeit.«
»Nein«, murmelte Meinrad. »Von der Fanny kann ich nix essen. Ich hab sie doch auch gemocht.«
»Aber vielleicht ein paar Knochen für den Joschi – dem ist das eh wurscht, der sieht das ned so eng«, schlug Martha vor. »Und wenn du willst, kannst den Joschi auch gern tagsüber bei mir abliefern. Ich geh dann mit ihm spazieren – allerdings erst, wenn meine Mission erfüllt ist, gell?«
Dabei sah sie aufmunternd zu ihrem Gast, der sich gerade eine vierte Portion Suppe in seinen Teller
Weitere Kostenlose Bücher