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Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)

Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Selig in Kleinöd: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Schröger , Katharina Gerwens
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wären sich niemals begegnet? Ein Glück zu haben und es dann wieder zu verlieren, war furchtbar. In diesen Stunden begriff er mit erschreckender Klarsicht, wie es seiner Mutter ergangen sein musste. Und er verstand auch, warum all seine damaligen kindlichen Versuche, die Mama mit selbst gepflückten Blumensträußen, guten Noten und kleinen Geschenken aufzuheitern, zum Scheitern verurteilt gewesen waren. Sie musste sich selbst nüchtern in einem solchen Zustand der Verzweiflung befunden haben, in dem sie das alles nicht wahrnehmen konnte. Vermutlich hatte sie ihren Sohn Zeit ihres Lebens so gesehen, wie er jetzt Malwines Hund sah, als ein Wesen, das gefüttert und versorgt werden musste, mit dem er aber eigentlich nichts zu tun hatte.
    Er starrte auf seine Hände, die untätig vor ihm auf der rot-weiß karierten Decke des Küchentischs lagen. Nutzlos.
    Erbarmungslos laut klingelte das Telefon in diese Stille hinein. Er zuckte zusammen.
    Es war Martha Moosthenninger. Schnell, geschäftig, wichtig. Meinrad beneidete sie ein wenig. Deren Tage waren angefüllt mit Bedeutung und Sinn.
    »Also, Meinrad, nur dass du es weißt, es hat sich ja eh schon rumgesprochen hier im Ort, aber ich hab jetzt noch mal meine Putzhilfe, die mir in der Kirche immer hilft, zu allen Bekannten und Freunden der Malwine geschickt, dass die denen Bescheid sagt wegen der Beerdigung. Gell, am Samstag um zwölf. Hast schon Sterbebildchen drucken lassen?«
    Meinrad grummelte ein »Ja« und erinnerte sich an die eigenartigen Gefühle, die ihn beschlichen hatten, als er Malwines Fotoalben durchgesehen hatte. Eine beklemmende Reise in die Vergangenheit, während der er ihr und sein eigenes Leben zueinander in Beziehung gesetzt hatte: Als er grad anderthalb Jahre alt gewesen war und zu laufen begann, hatte sie ihr Baby bekommen. Es war das erste Foto, auf dem er sie lächeln sah.
    Er hatte seine Lebensdaten mit den Jahreszahlen ihrer Alben verglichen: So also hatte sie geschaut, als er in die Schule kam, so, als er sein Abitur gemacht und sein Diplom abgelegt hatte. Nur auf den wenigsten Bildern lächelte sie. Freude und so etwas wie Zufriedenheit hatte sich erst in den letzten zehn Jahren in ihren Zügen gezeigt. Er hatte für das Sterbebildchen ein Farbfoto herausgesucht, auf dem sie ihren Hund Joschi im Arm hielt und fast ein wenig glücklich wirkte.
    »Wie viele?«, fragte Martha Moosthenninger jetzt.
    »Wie viele was?« Er wusste plötzlich nicht mehr, wovon sie sprach.
    »Wie viele hast du drucken lassen?«
    »Zweihundert. Wie du gesagt hast.«
    »Das ist gut. Weißt, früher hatten die ja noch den Hofladen mit all dem selbst gemachten Zeug. Die aus dem Neubauviertel waren ganz verrückt danach. Damals war bio grad in. Insofern kann es schon sein, dass noch viele Kunden von damals kommen. Und die Bildchen, weißt du, die gibst du dann dem ersten Messdiener, der ist meistens ein bisserl älter als die anderen, gehst vor dem Trauergottesdienst in die Sakristei und drückst ihm die zwei Stapel in die Hand, dass der die auch ordentlich vorn am Altarteppich auf ein Tischchen legt. Von selbst denken die nämlich nie dran, die Saubären.«
    »Ja, mach ich.«
    Er sagte ihr nicht, dass das bei seiner Mutter ganz anders gewesen war. Keine Bildchen, keine Freunde, Bekannte oder Kunden, keine Mittrauernden. Zynisch hatte er beim Wegräumen der leeren Wein- und Schnapsflaschen überlegt, ob er zur Bestattung der Hiendlmayr Beate den Geschäftsführer des örtlichen Supermarktes einladen sollte. Immerhin hatte seine Mutter dafür gesorgt, dass der Umsatz mit hochprozentigen Getränken auf gleichbeibend hohem Niveau blieb. Aber Meinrad wollte keine große Trauergemeinde haben. Und so war es dann ja auch gewesen: Nur er selbst, die Totengräber und der Pfarrer hatten am offenen Grab gestanden, sie hatten gemeinsam ein Vaterunser gebetet und waren dann wieder ihrer Wege gegangen. Als sei nichts gewesen.
    »Und vorher ist ja noch die Beerdigung von dem Dr. Hellmann aus Landau. Wirklich tragisch, so ein netter Mann. Da geh ich fei auch hin. Das ist schon um zehn. Kommst mit?«
    »Ich weiß nicht, erst nach Landau und dann wieder zurück nach Kleinöd? Nein, ich fürcht mich eh schon vor dem Samstag. Da bleib ich besser hier. Zwei Beerdigungen an einem Tag, das ist wirklich zu viel für einen wie mich.«
    »Wieso Landau? Nein, der Hellmann kommt auf unseren Gottesacker. Ganz in die Nähe von Malwine. Quasi in deren direkte Nachbarschaft. Die ham sich ja schließlich

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