Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
um den Bauch gewickeltem Badetuch, schwitzte, beschloß er, das Haus aufzusuchen, in dem seine Tochter wohnte. Gewohnt hatte. Er mußte irgend etwas mit der Wohnung machen. Es war ausgeschlossen, daß Kristine wieder dorthin zog. Aber er wollte ihr jetzt keine Entscheidung aufzwingen. Sie hatten Zeit. Bis auf weiteres.
Er fühlte sich sauber und leichter als seine knapp hundert Kilo. Draußen regnete es, aber die leichte Wolkendecke hatte den Thermostat nicht herunterdrehen können. Noch immer war es viel zu warm für die Jahreszeit. Selbst Mitte Juli wären achtzehn Grad über Null am frühen Morgen beeindruckend gewesen. Jetzt waren sie erschreckend. Vielleicht war doch etwas Wahres an dieser Geschichte mit dem Ozonloch.
Er setzte sich problemloser als sonst in sein Auto, das verbotenerweise auf einem Behindertenparkplatz stand. Die Trainingsrunde hatte ihm gutgetan. Das mußte er öfter machen. Er beschloß, sich am Riemen zu reißen.
Vierzehn Minuten später fand er nur fünfzig Meter vom Haus seiner Tochter entfernt eine Parklücke, die groß genug war. Er schaute noch einmal auf die Uhr und fand, es sei noch zu früh, fremde Leute zu stören. Die, die zur Arbeit mußten, hatten jetzt bestimmt keine Zeit, mit ihm zu reden. Deshalb schnappte er sich lieber zwei Boulevardzeitungen und ging in eine Bäckerei, die eilige Morgenmenschen bereits mit dem lebhaften Duft von frischem Hefegebäck in Versuchung führte.
Nach drei Brötchen, einem Viertelliter Milch und zwei Tassen Kaffee war genau die richtige Zeit für sein Vorhaben. Er ging bei seinem Auto vorbei und fütterte die Parkuhr mit neuen Kronenstücken, dann näherte er sich der Haustür. Er fischte die Schlüssel aus der Tasche und betrat das Haus. Es gab zwei Wohnungen auf jeder Etage und insgesamt vier Etagen. Er konnte im Erdgeschoß anfangen.
Ein selbstgemachtes Porzellanschild verriet, daß in der linken Wohnung Hans Christiansen und Lena Ødegård hausten. Er riß sich zusammen und klingelte kurz. Keine Reaktion. Er machte noch einen Versuch. Nichts zu hören.
Das war kein guter Anfang. Na, dann würde er eben nachmittags noch einmal vorbeischauen. An der Tür gegenüber gab es kein Namensschild. An der Haustür war ihm ein ausländischer Name aufgefallen. Er hatte nicht feststellen können, ob der Name einer Frau oder einem Mann gehörte. Auf jeden Fall hatte der oder die Betreffende es nicht für nötig gehalten, das Namensschild zu ersetzen, das früher offenbar die Tür geschmückt hatte; auf dem Holz zeichneten sich ein helles Feld und zu beiden Seiten jeweils ein Schraubenloch ab.
Er hörte ein deutliches Summen, als er auf die Klingel drückte. Und dann hörte er in der Wohnung Schritte. Aber sonst passierte nichts. Bssss. Er machte noch einen Versuch. Weiterhin keine Reaktion. Irritiert schellte er noch einmal, diesmal ziemlich lange. Unhöflich lange, dachte er und klingelte ein weiteres Mal.
Schließlich klirrte eine Sicherheitskette, und die Tür wurde einen Spaltbreit geöffnet. Die Kette gestattete nur eine Öffnung von zehn Zentimetern. Durch diese Öffnung erblickte er eine Frau. Sie war klein, höchstens einhundertfünfundfünfzig Zentimeter groß. Sie trug altmodische, billige und wahrscheinlich zu hundert Prozent synthetische Kleider. Sie glitzerten im Lichtschein, der irgendwo aus der Wohnung stammte. Die Frau wirkte zutiefst verängstigt.
»Du Polizei?«
»Nein, ich bin nicht von der Polizei«, sagte er und versuchte, so wohlwollend und einladend wie möglich zu lächeln.
»Du kein Polizei, du hier nicht rein«, sagte die kleine Frau und wollte die Tür wieder schließen.
Blitzschnell schob er den Fuß in den Spalt und konnte das gerade noch verhindern. Er bereute seine Tat, sowie er die Angst in ihren Augen sah.
»Keine Panik«, bat er verzweifelt. »Bitte, haben Sie keine Angst! Ich möchte nur kurz mit Ihnen reden. Ich bin der Vater von Kristine Håverstad. Aus dem ersten Stock. Genau über Ihnen. Second floor«, fügte er hinzu, in der Hoffnung, daß sie ihn so besser verstehen würde. Dann fiel ihm ein, daß das nicht stimmte. »First floor, I mean. My daughter. She lives upstairs.«
Vielleicht glaubte sie ihm. Vielleicht begriff sie bei genauerem Nachdenken auch, wie unwahrscheinlich es war, daß irgend jemand ihr um halb zehn Uhr morgens zu nahe treten würde. Jedenfalls entfernte sie die Sicherheitskette und öffnete vorsichtig die Tür. Er blickte sie fragend an, sie winkte ihn in die Wohnung.
Die war
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