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Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Selig sind die Dürstenden: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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seufzte die uniformierte Frau, an ihre Kollegin in der Polizeidirektion Lillehammer gewandt. Danach warf sie den Zettel in den Papierkorb.
    Nicht allzuweit entfernt machten zwei andere uniformierte Polizeibeamte eine späte Mittagspause. Drei Würstchen und eine große Portion Pommes für jeden. Sie saßen auf einer harten, fest montierten Betonbank und schielten zu einer adretten Frau in altmodischen Kleidern hinüber, die am Rande der ziemlich befahrenen Straße saß. Sie aß dasselbe wie die Männer, wenn auch nicht soviel. Und nicht so schnell.
    »Ich wette, daß die keine Norwegerin ist«, sagte der eine Polizist mit vollem Mund. »Sieh dir doch bloß die Klamotten an!«
    »Zu helle Haare«, sagte der andere und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. »Zu helle Haare.«
    »Könnte ’ne Türkin sein«, beharrte der erste. »Oder Jugoslawin. Die sind doch manchmal fast blond.«
    »Die da ist keine Ausländerin.«
    Der andere ließ nicht locker. Der erste aber auch nicht.
    »Wetten?« schlug er vor. »Ich wette drei Würstchen und einmal Pommes.«
    Der andere dachte kurz nach und betrachtete die kleine Gestalt aus zusammengekniffenen Augen. Jetzt hatte sie wohl das Interesse der Männer bemerkt und ging mit raschen Schritten und dem Rest ihrer Mahlzeit zu den Papierkörben. »Alles klar.« Der andere war bereit. Beide standen auf und gingen auf die Frau zu. Sie sah verängstigt aus.
    »Ich glaub’ ja echt, du hast recht, Ulf«, sagte der Zweifler. »Sie hat jedenfalls Schiß vor uns.«
    »He da«, rief der erste siegessicher. »Stehenbleiben.«
    Die Frau mit den seltsamen Kleidern fuhr zusammen. Sie starrte die Männer voller Panik an.
    »Du bist ja wohl nicht von hier, oder was?«
    Er hörte sich im Grunde nicht unfreundlich an.
    »Nein, nicht von hier.«
    »Und wo kommst du also her?«
    »Ich aus Iran, Asyl.«
    »Ja, sieh mal einer an. Hast du denn deine Papiere bei dir?«
    »Ich keine Papiere hier, nur wo wohne.«
    »Und wo wohnst du?«
    Sie hatte natürlich den Namen vergessen. Und den Namen »Gudbrandsdalens Gjestgiveri« hätte sie wohl selbst dann nicht aussprechen können, wenn man ihr endlos Zeit zum Üben gelassen hätte. Statt dessen zeigte sie einfach vage die Straße hinauf.
    »Da oben.«
    »Da oben, ja«, wiederholte der eine Polizist und blickte seinen Kollegen an. »Ich glaube, du kommst jetzt erst mal mit uns. Die Sache müssen wir uns genauer ansehen.«
    Sie merkten nicht, daß der Frau Tränen in den Augen standen und daß sie zitterte. Aber sie sahen auch nicht besonders genau hin.
    Als die kleine Iranerin nicht zum Abendessen in der Gudbrandsdalen Gjestgiveri erschien, zog Frau Breittum den Schluß, daß ihr Tip seine Wirkung getan hatte. Vor sich hin summend, spendierte sie für die Leberwurstbrote eine Extrascheibe Gurke. Sie war ausgesprochen zufrieden.
    In einer Zelle in Lillehammer saß die kleine Iranerin und wartete darauf, daß die Polizei ihre Personalien überprüfte. Dummerweise war sie jedoch genau zum Schichtwechsel dort abgeliefert worden. Die beiden, die über ihre Nationalität eine Wette abgeschlossen hatten, wollten unbedingt heim zu Weib und Kind und baten ihre Kollegen, den Bericht zu schreiben. Und die versprachen das bei Leben und Ehre.
    Aber natürlich vergaßen sie es. Deshalb saß die Frau da, und niemand wußte, wer sie überhaupt war.

MITTWOCH, 9. JUNI
    Es regnete Hunde und Katzen. Um nicht zu sagen, Elefanten und Wale. Die Natur schien plötzlich alles, was sie zwei Monate lang zurückgehalten hatte, auf einmal loswerden zu wollen. Das Wasser platschte auf den ausgedörrten Boden, der keine Möglichkeit hatte, so große Mengen auf einmal zu absorbieren. Und deshalb suchte der Regen sich Abkürzungen zum Meer und machte die Straßen zu Bächen. Der Åkebergvei sah aus wie der Akerselv zur Zeit der Schneeschmelze. Es sprudelte und strömte, und drei Verkehrspolizisten standen in Seestiefeln und Regenkleidung da und fragten sich, wann das Wasser wohl so hoch steigen wurde, daß es die geparkten Autos wegschwemmen könnte. In Oslo herrschte Verkehrschaos.
    Sogar die Bauern, die während der langen Trockenperiode mit gewohntem Pessimismus wie in jedem Jahr – ob es nun zuwenig Regen gab oder zuviel, zuwenig Sonnenschein oder zu starken – die schlechteste Ernte seit Menschengedenken prophezeit hatten, fanden, es müsse doch Grenzen geben. Jetzt schwebte jedenfalls die Ernte in Gefahr. Das war doch die blanke Naturkatastrophe.
    Nur die Kinder fanden es

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