Selige Witwen
eigentlich sei das Ausmaß der inneren Verletzungen nicht hundertprozentig abgeklärt. Ein Alkoholtest sei negativ ausgefallen. Um nichts zu versäumen, werde man auch seinen gepflegten Wagen unter die Lupe nehmen, der mit Airbag und solider Sicherheitstechnik ausgestattet war und wohl kaum durch Wartungsfehler den Unfall ausgelöst habe.
Gegen eine Obduktion habe sie im Grunde nichts einzuwenden, hatte Kathrin beteuert, sei aber auch nicht sonderlich daran interessiert. Ob ihr Mann nun einen Schwächeanfall oder einen Herzinfarkt erlitten habe oder sekundenlang eingeschlafen sei, ändere nichts mehr an der traurigen Tatsache. Im übrigen schien die Rechtslage unkompliziert zu sein, denn es gab keine geschädigten Verkehrsteilnehmer, die Klage erheben konnten. Eine Lebensversicherung zu Gunsten seiner Frau hatte Erik nicht abgeschlossen.
Allerdings meinte Kathrin, bei Erwähnung von Hüters Namen ein kurzes Flackern im Auge des Kommissars erkannt zu haben. »Sicherlich war er für die Polizei kein Unbekannter.«
»Dann wird Sven heute vorgeladen oder kriegt Besuch«, prophezeite Cora.
»Der Polizist hat mir Eriks Schlüsselbund überlassen«, sagte Kathrin, »genaugenommen brauchen wir jetzt nicht mehr in diesem teuren Hotel zu residieren. Die Wohnung steht leer, und es gibt genug Platz für uns alle!«
Cora schüttelte mißbilligend den Kopf. »Hast du Watte in den Ohren? Sven lebt! Selbst wenn er noch nicht über Eriks Tod informiert ist, wird er doch auf jeden Fall nach Pu suchen und seine Leute auf uns hetzen. Auch der dümmste Holzkopf wird schnell darauf kommen, daß dein Verschwinden mit Pus Flucht zu tun hat. Stell dir vor, seine Bluthunde stoßen in der Neuhausstraße auf einen Harem! Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als vorerst im Hotel zu schlafen!«
»Höchste Zeit, daß wir diesen Schweinepriester aus der Welt schaffen«, sagte die enttäuschte Kathrin. Sie hatte sich bereits auf den lang entbehrten Inhalt ihres Kleiderschranks und auf die Stereoanlage gefreut.
Unser dritter Morgen im Hotel verlief ohne Termin, der unseren ausgedehnten Vormittagsschlaf hätte stören können.
Beim Frühstück übte Kathrin mit Pu die Vokabeln Kaffee, Tee, Brötchen, Rührei und Schinken, während sich Cora mit mir die Zeitung teilte. Ich fand eine kurze Notiz über Eriks Tod, in der von überhöhter Geschwindigkeit die Rede war; Cora stieß auf eine interessantere Nachricht. Sie las vor: Gestern morgen machte ein Radfahrer am Deutschherrnufer in Höhe der Gerbermühle eine grausige Entdeckung, als sein Schäferhund in einer flachen Baugrube den kopflosen Rumpf einer Frau aufspürte. Die Leiche, deren Identität noch nicht feststeht, war nur oberflächlich mit Erde bedeckt. Die Hintergründe des mysteriösen Falls liegen im dunkeln, die Ermittlungen laufen auf Hochtouren.
»Wahrscheinlich kam die Unbekannte gewaltsam zu Tode«, hieß es bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt. Die Polizei wendet sich mit der Frage an die Öffentlichkeit, ob im h/es Nicht
allzu oft in meinem Leben
igen Raum eine etwa 20- bis 3ojährige Farbige vermißt wird? Um sachdienliche Hinweise wird gebeten.
»Sie haben ihr den Kopf abgeschnitten!« rief Kathrin fassungslos.
Wahrscheinlich ging ihr durch den Sinn, daß sie selbst einem solchen Schicksal nur knapp entronnen war.
Obwohl diese Vorstellung ihr zusetzen mußte, bemühte sich Kathrin nach Kräften, Pu über den entsetzlichen Inhalt des Zeitungsartikels in Kenntnis zu setzen. Ihre Schülerin bewies mit den Worten »Seven is Schwein«, daß sie verstanden hatte.
»Warum mag sie ihn bloß geheiratet haben?« fragte ich.
Pu belehrte uns mit melancholischem Ernst, daß ihr Status als Ehefrau eines unsympathischen Deutschen immer noch angenehmer sei als ihr früherer Job im Heimatland.
Überdies hätte Sven versprochen, seiner Schwiegermutter die monatliche Miete von etwa 30.- DM nach Udon Thani zu überweisen, Grund genug, einem fremden Mann in ein unbekanntes Land zu folgen.
»Kaum zu fassen!« sagte Cora. »Außerdem hat Hilter wenig Phantasie an den Tag gelegt: Ausgerechnet dort, wo er mit Erik joggen ging, wurde die Tote verscharrt.«
Anschließend gab es eine längere Debatte, ob wir auf den Fund der Leiche in irgendeiner Form reagieren sollten.
»Die Polizei kriegt einen anonymen Hinweis«, schlug ich vor und holte aus der wappengeschmückten Schreibmappe unseres Grandhotels einen Bogen Briefpapier. »Vergiß nicht, deinen Namen neben den Absender zu schreiben«,
Weitere Kostenlose Bücher