Selina - Liebesnaechte in Florenz
kühl. „Es gibt kein Vermögen. Alles, was Selina de Valière besitzt, ist ein kleiner Geldbetrag, der ihr bei der Heirat ausgezahlt wird. Der restliche Besitz des Comte de Valière fiel nach der Wiederheirat seiner Gattin an die Familie zurück." Ihr Vermögen war dennoch beträchtlich genug, aber das würde sie diesem gierigen Menschen gewiss nicht auf die Nase binden.
Sekundenlang starrte sie der Alte an, offensichtlich unfähig, das Gehörte zu erfassen, dann sprang er, hochrot im Kopf, auf und hob die geballten Fäuste in die Richtung Francoises, die sich erschrocken in die andere Zimmerecke flüchtete, wobei sie Selina an der Hand mitzog.
„Deine Mutter, diese verdammte Schlampe!“ schrie Bene Santini los. „Vertut das Vermögen der Familie eines liederlichen Bastards wegen, um ihre tierischen Gelüste zu befriedigen! Das lasse ich mir nicht bieten!“
Sein Sohn trat hinter dem Stehpult hervor und auf ihn zu, „Ich bitte Euch, Vater, ich flehe Euch an! Mäßigt Euch! Ihr wisst doch, was messer Benino gesagt hat, der Arzt...“
Der Alte schob ihn derb fort. „Sie verdirbt mir alles! Meine Pläne! Eben hatte ich Barenza so weit, dass er mir zugestand, mir ein Empfehlungsschreiben an das Haus Bernacci zu verfassen! Du weißt selbst, wie wichtig diese Beziehung zu den Venezianern für unser Geschäft ist! Eines der erfolgreichsten Handelshäuser! Soll ich etwa selbst ein Schiff kaufen und damit nach Griechenland oder zu den Mauren segeln?!“ Er stand schweratmend da, die Hand auf seinem Herz, und wies mit der ausgesteckten anderen auf die beiden Frauen. „Hinaus jetzt! Aus meinen Augen! Hinaus!“
Selina zog die völlig fassungslose Francoise mit sich. Hinter sich hörten sie den Alten Verwünschungen ausstoßen, die beruhigenden Worte seines Sohnes und dann waren sie auch schon die Treppe hinauf und in ihrem Schlafzimmer.
„Oh Selina!“ Francoise sank weinend auf die Bettruhe. „Was soll jetzt nur geschehen?“
„Es kann nicht mehr geschehen, als dass er uns des Hauses verweist und wir heimreisen“, erwiderte Selina leichter als ihr zumute war. „Wir wollten ja ohnehin...“ Sie unterbrach sich, weil sie jemanden an der Tür hörte. Als sie sich umwandte, bemerkte sie Fiorina, die sie mit einem seltsamen Blick ansah. Selina biss sich ärgerlich auf die Lippen. Francoise hatte sie mit ihrem Namen angesprochen, und obwohl sie sich wieder in ihrer Muttersprache unterhalten hatten, war es doch möglich, dass Fiorina Verdacht geschöpft hatte. Als ihre junge Tante jedoch ins Zimmer trat, sich neben Francoise setzte und beruhigend die Arme um sie legte, atmete sie auf. Gottlob, sie schien nichts zu ahnen.
„Ich habe alles gehört“, sagte sie leise. „Es gibt da einen Raum, wo man belauschen kann, was im stuido des alten Santini gesprochen wird.“ Sie lächelte etwas verlegen, „Ich weiß, dass dies sehr ungehörig ist, aber meine Stellung im Haus ist so schlecht, dass ich mir angewöhnt habe, alles zu nutzen, was mir dienlich sein kann.“
Selina musterte sie nachdenklich. Sie hatte schon des Öfteren bemerkt, dass Fiorina, obwohl die Ehegattin des einzigen Sohnes und damit erste Dame im Haus, nicht besser behandelt wurde als eine Dienstmagd. Dabei war sie eine so hübsche und liebenswerte junge Frau, die wahrlich Besseres verdient hätte. „Warum lässt du dir das gefallen?“ fragte sie kopfschüttelnd. „Du bist doch hier die Herrin!“
„Ich bin nichts“, erwiderte Fiorina. „Als Giovanni mich erwählte, war meine ganze Familie sehr glücklich und stolz, dass ich hier einheiratete – er tat dies nämlich gegen den Willen seines Vaters, der eine reiche Braut für ihn im Auge hatte, nachdem die Trauerzeit für seine erste Frau vorbei war.“ Sie lächelte Selina an, „Ich liebe meinen Mann. Er mag dir schwach erscheinen, aber er fügt sich nur dem Gesetz. Alle im Haus sind dem alten Santini Gehorsam und Respekt schuldig.“ Sie nickte ernst, „Auch ihr beide. Das ist das Gesetz“, wiederholte sie leise. „Unsere Männer sind unsere Herren.“
„Ist das der Grund, weshalb du deinen Mann nicht mit dem vertrauten Du ansprichst?“ fragte Selina aufgebracht. Ihre Eltern waren ebenfalls in dieser höflichen Weise miteinander verkehrt, aber da hatte ihr Vater seiner Gattin denselben Respekt gezollt. Hier jedoch schien es Gang und Gäbe zu sein, dass die Frauen, die meist auch viel jünger als ihre Männer waren, diese mit Ihr und Euch und sogar mit messer ansprachen, einem Titel,
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