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Semenon und die kleine Landkneipe

Semenon und die kleine Landkneipe

Titel: Semenon und die kleine Landkneipe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Butterschale.
      »Kriminalpolizei!« sagte Maigret.
      »Das dachte ich mir …«
      »Kennen Sie den Mann, der sich seit dem frühen Morgen vor Ihrem Laden aufhält?«
      »Den langen Dürren, der so hustet? Nie gesehen. Auch meine Frau kennt ihn nicht. Er ist kein Israelit.«
      »Kennen Sie diesen Herrn?«
      Maigret zeigte ihm ein Bild Bassos, das der andere aufmerksam betrachtete.
      »Auch kein Israelit«, sagte er nach einer Weile.
      »Und diesen hier?« Es war Feinstein.
      »Ja.«
      »Ihn kennen Sie also?«
      »Kennen? Nein. Aber ich kann sehen, daß er einer von uns ist.«
      »Sie haben ihn früher nie gesehen?«
      »Nein. Wir kommen ja fast nie aus dem Haus …«
      Die Frau sah neugierig durch das Fenster in der Tür. Dann nahm sie ein zweites Kind aus einer Wiege, das während des Waschens zu schreien begann. Der Trödler schien sich keiner Schuld bewußt. Er rieb sich langsam die Hände und erwartete ruhig die Fragen des Kommissars. Dabei leuchtete aus seinen Augen Genugtuung darüber, daß er sich nichts vorzuwerfen hatte.
      »Wie lange betreiben Sie Ihr Geschäft schon?«
      »Seit über fünf Jahren. Es ist ein bekanntes Geschäft. Die Kunden wissen, daß wir ehrliche Arbeit leisten.«
      »Wer hatte das Geschäft vor Ihnen?«
      »Das wissen Sie nicht? Papa Ulrich, der eines Tages verschwunden war.«
      Der Kommissar atmete hörbar auf. Endlich zeigte sich ein Schimmer.
      »War Papa Ulrich auch ein Trödler?«
      »Darüber ist die Polizei gewiß besser unterrichtet als unsereiner. Ich kann nichts Genaues sagen. Im Viertel erzählte man sich, daß er auch Geldverleiher war.«
      »Wucherer?«
      »Ich habe keine Ahnung, welche Zinsen er verlangte. Er lebte allein, ohne Angestellte, schloß und öffnete die Läden selbst. Eines Tages war er verschwunden, das Geschäft war sechs Monate geschlossen … Dann habe ich es übernommen, und jetzt hat es einen besseren Ruf. Das wissen Sie wohl?«
      »Wie kam es, daß Sie Papa Ulrich nicht kannten?«
      »Ich war damals nicht in Paris, kam aus dem Elsaß, als ich sein Nachfolger wurde.«
      Das Kind schrie noch immer. Das Brüderchen hatte die Tür geöffnet, lutschte an seinem Daumen und sah Maigret aus großen Augen an.
      »Ich sage Ihnen, was ich weiß. Wüßte ich mehr, dann …«
      »Ich bin überzeugt. Vielen Dank.«
      Als sich Maigret draußen noch einmal umsah, fiel sein Blick auf den Landstreicher, der noch immer auf der Treppenstufe saß.
      »Hierher wolltest du mich also führen?«
      Und Victor mit Unschuldsmiene:
      »Wohin?«
      »Kennst du die Geschichte mit Papa Ulrich?«
      »Papa Ulrich?«
      »Nun spielst du schon wieder den Idioten!«
      »Ich schwöre Ihnen, ich kenne die Sache nicht …«
      »Ist er es, der im Kanal Saint-Martin verschwand?«
      »Weiß nicht …«
      Maigret entfernte sich achselzuckend, nachdem er Lucas die Anweisung gegeben hatte, Victor weiter zu beobachten.
      Eine halbe Stunde später war er in alte Akten vergraben. Endlich fand er, was er suchte, und machte folgende Notiz:

    Jacob Ephraim Levy, genannt Ulrich, 62 Jahre alt, gebürtig aus Oberschlesien, Inhaber eines Altwarengeschäfts Rue des Blancs-Manteaux, verdächtig der Wucherei.
       Verschwindet am 20 . März, die Nachbarn erstatten aber erst am 22 . Anzeige. Im Hause keine Spuren. Nichts ver schwunden. Vierzigtausend Franc im Bett versteckt.
       Der Mann hat seine Wohnung vermutlich am 19 . abends verlassen, worin nichts Auffälliges lag.
       Angaben über sein Privatleben fehlen. Die in Paris und in der Provinz angestellten Ermittlungen bleiben ergebnislos.
       Einen Monat nach dem Verschwinden kommt die Schwester des Mannes aus Oberschlesien und macht An sprüche auf die Erbschaft geltend.
       Nach einem halben Jahr erlangt sie die richterliche Ent scheidung, die ihre Rechte anerkennt.

    Um die Mittagszeit schloß Maigret im Kommissariat von La Villette, im dritten, das er zu diesem Zweck aufsuchte, seine vorläufigen Ermittlungen ab.
    Aus einem Protokoll notierte er folgenden Auszug:

    Am 1. Juli haben Schiffer in der Nähe der Schleuse des Ka nals Saint-Martin einen männlichen Leichnam im Zu stand vorgeschrittener Verwesung aus dem Wasser geborgen.
       Die Identität des Toten war durch das gerichtmedizini sche Institut nicht zu ermitteln.
    Er war 60–65 Jahre alt, 1, 55 in groß.
       Die noch vorhandenen Kleidungsstücke waren von

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