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Semenon und die kleine Landkneipe

Semenon und die kleine Landkneipe

Titel: Semenon und die kleine Landkneipe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Schiffsschrauben zerfetzt. Die Taschen waren leer.

    Maigret fühlte die Last, die auf seiner Seele lag, leichter werden. Endlich teilten sich die Nebel, und er hatte eine Basis gefunden, auf der er weiterarbeiten konnte.
      »Es war Papa Ulrich, der vor sechs Jahren ermordet und in den Kanal geworfen worden war.«
      Warum? Von wem?
      Das herauszufinden war die Aufgabe, die vor ihm lag. Er stopfte seine Pfeife, setzte sie mit Behagen in Brand, grüßte die Kollegen von La Villette und betrat, sicheren Boden unter den Füßen, lächelnd die Straße.

    8

    James’ Geliebte

    D er Buchprüfer kam in Maigrets Büro. Dabei rieb
          er sich die Hände, machte verschmitzte Augen und sagte:
      »Gefunden!«
      »Was?«
      »Ich habe die Bücher des Wäschegeschäfts flüchtig durchgesehen. Die letzten sieben Jahre. Das war nicht weiter schwierig. Feinstein verstand nichts von Buchführung. Daher betraute er einen Bankangestellten damit, der einige Abendstunden in der Woche bei ihm arbeitete. Hier und da eine kleine Berichtigung aus Steuergründen. Sonst nichts Auffälliges. Alles in allem ein Unternehmen, das sich hätte behaupten können, wenn das Anfangskapital größer gewesen wäre. Die Lieferschulden wurden monatlich am 4. oder 10. bezahlt, Wechsel oft verlängert, zwei-, sogar dreimal. Häufige Ausverkäufe, um auf Teufel komm raus die Kasse zu füllen … na, und schließlich … Papa Ulrich!«
      Maigret rührte sich nicht. Er wußte, daß es besser war, den redseligen, ruhelos auf und ab gehenden, kleinen Mann nicht mit Fragen aus dem Konzept zu bringen.
      »Die alte Geschichte. Vor sieben Jahren also taucht der Name Ulrich zum erstenmal in den Büchern auf. Mit einem Darlehen von zweitausend Franc an einem Verfallstage. Rückzahlung nach einer Woche. Am nächsten Verfallstag neues Darlehen. Diesmal fünftausend Franc. Sie sehen die Sache vor sich. Feinstein weiß nun, wo er sich Geld verschaffen kann, wenn er es braucht. Es wird ihm zur Gewohnheit. Mit zweitausend ist der Anfang gemacht. Sechs Monate später sind es achtzehntausend, für die er fünfundzwanzigtausend zurückzahlen muß. Papa Ulrich ist nicht scheu, Feinstein dagegen ein ehrlicher Mann … Er bezahlt seine Schulden, wenn auch nach einem etwas eigenartigen System. Er bezahlt zum Beispiel am 15. fünfzehntausend Franc und leiht am 20. siebzehntausend, die er im nächsten Monat zurückerstattet, um gleich darauf fünfundzwanzigtausend zu leihen … Im März schuldet Feinstein Papa Ulrich zweiunddreißigtausend Franc.«
      »Die er zurückzahlt?«
      »Pardon. Von dem Augenblick an ist der Name Ulrich in den Büchern nicht mehr auffindbar.«
      »Aus sehr triftigen Gründen: der Jude aus der Rue des Blancs-Manteaux existierte nicht mehr! Sein Tod hatte also Feinstein die hübsche Summe von zweiunddreißigtausend Franc eingebracht …«
      »Wer hat dann später Ulrichs Rolle übernommen?«
      »Anfangs niemand. Erst ein Jahr später hat Feinstein den Kredit einer kleinen Bank in Anspruch genommen, der aber bald nicht mehr gewährt wurde.«
      »Basso?«
      »Der Name findet sich in den letzten Büchern. Nicht
    in Verbindung mit Darlehen, sondern mit Gefälligkeitsakzepten.«
      »Wie war die Situation zur Zeit von Feinsteins Tod?«
      »Weder besser noch schlechter als gewöhnlich. Mit zwanzigtausend war ihm geholfen … bis die nächsten Wechsel fällig wurden. Übrigens gibt es in Paris zahllose Geschäftsleute, die sich in der gleichen Lage befinden und jahrelang hinter dem Betrag herlaufen, der ihnen gerade fehlt, um der Pleite knapp zu entgehen.«
      Maigret war aufgestanden und hatte seinen Hut ergriffen.
      »Ich danke Ihnen, Monsieur Fleuret.«
      »Wünschen Sie eine detailliertere Untersuchung?«
      »Im Augenblick nicht. Danke.«
      Alles ging wie am Schnürchen. Der richtige Weg war gefunden. Und doch machte Maigret ein böses Gesicht, als mißtraute er der eingetretenen Wendung.
      »Hat Lucas von sich hören lassen?« fragte er den Bürodiener beim Hinausgehen.
      »Er hat gerade angerufen. Sein Mann hat bei der Heilsarmee um Obdach gebeten. Jetzt soll er dort schlafen.«
      Es ging um Victor. Er hatte nicht einen Groschen in der Tasche. Spekulierte er noch immer auf die große Belohnung, für die er den Namen des Mörders von Papa Ulrich verkaufen wollte?
      Maigret ging über die Kais. Vor einem Postamt machte er halt, ging hinein und schrieb folgendes Telegramm:

    komme

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