Sengende Nähe - Singh, N: Sengende Nähe
Internet?“
„Das ist es ja – der Typ mit den seltenen Büchern hat mir erzählt, dass ihr gesamtes Werk vor etwa hundert Jahren in Flammen aufgegangen ist.“
Sascha ballte die Faust. 1979, genau vor einhundertundeins Jahren, war Silentium flächendeckend eingeführt worden. Die E-Medialen waren zu einer Bürde geworden… man hatte sie gebrochen, begraben und vom Erdboden getilgt. Nur mit Mühe konnte sie sprechen. „Sehr gute Arbeit, Nicki.“
„Vielen Dank.“ Das Mädchen klang so zufrieden, dass die Kälte in Sascha ein wenig schmolz. „Ich habe auch noch ein wenig über ihr anderes Buch herausgefunden – möchtest du es wissen?“
„Sicher.“ Ihr war alles recht, was eine intensivere Beschäftigung mit diesem „Geschenk“ hinauszögerte.
„Eigentlich“, korrigierte sich Nicki, „war es noch kein Buch, nur ein Manuskript. Anscheinend hat sich Eldridge nach Abschluss ihrer Forschungen über E-Mediale einer anderen Kategorie zugewandt.“
Sascha runzelte die Stirn. „Wie hast du davon erfahren, wenn es nur ein Manuskript war?“
„Es ist eine Art Heiliger Gral für Eldridge-Forscher“, sagte das Mädchen. „Der Buchhändler hat mich mit einer Frau bekannt gemacht, die mir erzählte, dass Eldridge vor ihrem Tod ganz offen an einem neuen Projekt arbeitete. Helene, so heißt diese Frau, meinte, in dem Buch über E-Mediale gebe es einen Hinweis darauf.“
Sascha würde danach Ausschau halten. „Erzähl weiter.“
„Die Sache ist die: Nach ihrem Tod hat niemand auch nur einen einzigen Hinweis auf diese Arbeit gefunden, weder in ihrem Büro noch bei ihr zu Hause. Als habe sie jahrelang gar nichts getan.“ Nicki summte eine gespenstische Tonfolge. „Eigenartig, nicht wahr?“
„Sehr“, sagte Sascha, dachte aber an etwas anderes. „Der Verschwörungstheoretiker ist sicher der Auffassung, jemand habe die Arbeit vernichtet.“
„Bingo. Obwohl keiner weiß, worum es dabei ging.“ Sie zögerte. „Das heißt, eine Vermutung gibt es schon – Helene zufolge stammt die Information von der Familie eines Kollegen von Eldridge –, aber niemand kann etwas damit anfangen.“
„Hat man dir einen Hinweis gegeben, worum es sich handelt?“
„Ja. Helene meinte, Eldridge habe an einer Langzeitstudie über X-Mediale gearbeitet.“ Nicki schwieg kurz, um dann zu fragen: „Weiß du, wofür X steht?“
Sascha schluckte und wich der Frage aus. „Fantastische Arbeit, Nicki. Ich werde Keely davon berichten.“
Nicki stieß einen Freudenlaut aus. Sascha wollte sich gerade lachend verabschieden, als Nicki sagte: „Warte noch, eins habe ich fast vergessen – ein Exemplar des Buchs kostet heute um die fünfhunderttausend Dollar, weil es so selten ist. Die meisten von ihnen befinden sich in privaten Sammlungen.“
„Danke, Nicki.“ Nachdem Sascha die Verbindung beendet hatte, saß sie ein paar Minuten einfach nur da. Es hatte ihr den Atem verschlagen. Fünfhunderttausend Dollar. Mein Gott. Nikita konnte sich das leisten – das war nichts für sie, aber dennoch …
Sascha sah wieder das Buch an, vielleicht enthielt es die Antwort, nach der sie suchte. Seit sie nicht mehr durch Silentium gebunden war, veränderten sich ihre empathischen Gaben, entwickelten sich, wurden stärker. Aber Sascha wusste nicht, wohin diese Entwicklung sie führen würde.
Sie streckte die Hand aus. Zog sie wieder weg. „Bin ich etwa feige?“, fragte sie laut und schüttelte dann den Kopf. „Nein, nur vorsichtig.“ Sie nahm das Buch und trug es wieder ins Haus – tat es in den Safe hinter dem Ökoherd.
Trotz aller Fragen und aller Neugierde war sie noch nicht bereit, sich das Geschenk ihrer Mutter anzusehen. Nikita hatte sie fallen gelassen, ohne mit der Wimper zu zucken. Es brauchte noch Zeit, ehe sie etwas anderes als Zurückweisung vor sich sehen würde, wenn sie das Buch aufschlug.
Riley verließ tief befriedigt Mercys Büro. Sie hatte den Paarungstanz akzeptiert. Und er würde dafür sorgen, dass die Paarung zustande kam. Er wollte sich mit aller Kraft dafür einsetzen.
Er betrat das unterirdische Parkhaus und sah vor seinem Allradfahrzeug einen großen rothaarigen Mann stehen. „Hallo, Bastien.“
„Tag, Riley.“
„Wo sind denn deine Brüder?“
Bastien lächelte, aber nicht gerade freundlich. „Werden gleich hier sein. Sag mal, wie kommst du darauf, du hättest das Recht, meine Schwester anzufassen?“
„Sie hat es mir erlaubt.“ Er sah fest in die leuchtend grünen Augen. Einen Kampf würde er
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