Sengende Nähe - Singh, N: Sengende Nähe
sich.
Der Leopardin gefiel dieses besitzergreifende Verhalten überhaupt nicht, es bedrohte einen wichtigen Teil ihres Daseins. „Ashaya wollte uns etwas mitteilen.“ Sie stellte den transparenten Glasbildschirm auf Videofunktion und wählte.
Riley kam um den Schreibtisch herum, legte den Arm auf ihre Rückenlehne und die Finger sanft an ihren Kopf. Sie schüttelte seine Hand ab. Überrascht runzelte er die Stirn, wartete vermutlich auf eine Erklärung, aber sie konzentrierte sich nur auf den Bildschirm. „Ashaya, wir sind so weit.“
Die Wissenschaftlerin erschien auf dem Monitor, graublaue Augen und mokkafarbene Haut. „Nun“, sagte sie und wiederholte, was sie Mercy bereits erzählt hatte. „Um die Ermittlungen zu beschleunigen, habe ich mit Amara gemeinsam daran gearbeitet, und wir glauben jetzt zu wissen, was das Mittel bewirkt.“
„Weiter“, sagte Mercy, und Riley fragte gleichzeitig: „Was ist es?“
Mercy lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und kreuzte die Arme über der Brust.
Ashaya sah sie nacheinander an, stellte aber keine Fragen. „Wir müssen uns bei Amara bedanken. Da das Mittel anscheinend für Mediale gedacht ist, hat sie es sich selbst injiziert.“ Ihre Hand zitterte, als sie ihr Haar zurückstrich – das in zwei feste Zöpfe geflochten war.
Mercy fuhr auf. „Hat sie es gut überstanden?“
„Ja. Alles in Ordnung. Jetzt jedenfalls.“ Ashaya ließ die Hand wieder sinken. „Sie hat nur eine kleine Dosis genommen.“
„Und?“, fragte Riley sofort.
„Fünf Minuten lang konnte sie keine ihrer geistigen Fähigkeiten benutzen.“
Aller Ärger war vergessen, Mercy fing Rileys Blick auf. Sie sah dieselbe gespannte Aufmerksamkeit, die sie auch in sich spürte. Dann sah sie wieder Ashaya an. „Könnte man den Versuch wiederholen?“
Ashaya wirkte nicht besonders glücklich. „Es ist, als würdest du etwas einnehmen, das es dir unmöglich macht, dich zu verwandeln, Mercy. Wie könnte ich so etwas Schmerzvolles ein weiteres Mal rechtfertigen? Amara wäre zusammengebrochen, wenn ich nicht die ganze Zeit geistig mit ihr in Verbindung gestanden hätte.“
„Mist, so habe ich das nicht gesehen.“ Mercy rieb sich übers Gesicht. „Es ist nur so: Wenn wir über ein solches Mittel verfügten, müssten wir Mediale nicht mehr beim ersten Anblick töten.“ Im Augenblick gab es keinen Spielraum für Gespräche oder Verhandlungen. Wenn ein Medialer hinter einem Gestaltwandler her war, war die einzige Option sein Tod.
„Könnte ein Abschreckungsmittel sein“, ergänzte Riley.
Ashaya schüttelte den Kopf. „Amaras Herz hat aufgehört zu schlagen.“
Mercy erstarrte. Plötzlich fiel ihr die Panik ein, die sie vor ein paar Stunden auf ihrer Patrouille gespürt hatte. Sie hatte es auf ihre erhöhte Sensibilität in dieser Umgebung geschoben, aber vielleicht war es doch etwas anderes gewesen: Ashayas Hilferuf? Als Dorians Gefährtin befand sie sich im Sternennetz, das durch den Blutbund der Wächter mit Lucas entstanden war. „Hattest du nicht gesagt, es gehe ihr gut?“
„Ich habe ihr Herz wieder in Gang setzen können.“ Ashaya drückte ihre zitternden Finger auf die Lippen. „Nur fünf Minuten waren Amaras Fähigkeiten außer Kraft gesetzt, aber der Zusammenbruch kam erst nach dreißig Minuten. Mit diesem Mittel kann man das Herz eines Medialen jederzeit stillstehen lassen.“
Mercy blendete diese Information einen Augenblick aus. „Ich werde Dorian zu dir schicken.“
„Er müsste gleich da sein.“ Ashaya hob die Hände zu einer Geste des Dankes, aber auf ihrem Gesicht zeigte sich Zorn. „Wahrscheinlich haben sie das Mittel entwickelt, um mediale Kräfte abzublocken, doch nun wenden sie es an, um uns zu schwächen und zu töten.“
„Meinst du, sie wissen es?“, fragte Riley.
„Ich gehe davon aus. Wahrscheinlich haben sie es ausprobiert und sich entschlossen, das Risiko einzugehen.“
„Aber warum?“, beharrte Riley. „Was hätte man davon, die Zielperson umzubringen?“
„Nach der Dosierung in den Pfeilen zu urteilen, die sie während des Entführungsversuchs dabeihatten, wäre ihnen wenigstens ein Zeitfenster von zehn Minuten geblieben, um mir entweder ein Gegenmittel zu injizieren oder mit der geeigneten Ausrüstung mein Herz wieder zum Schlagen zu bringen.“ Sie holte tief Luft. „Aus der Selbstverständlichkeit, mit der sie das Mittel anwenden, schließe ich, dass sie über ein Gegenmittel verfügen. Eines der Fahrzeuge, die sich bei dem Hinterhalt
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