Sengende Nähe - Singh, N: Sengende Nähe
keine Geheimnisse aus“, sagte sie, verärgert und verletzt, dass er so wenig von ihr hielt. „Ich verrate das Rudel nicht.“
„Das weiß ich.“ Diesmal hörte sie den Panther in seiner Stimme. „Ach verdammt, Merce. Ich würde nie deine Loyalität in Zweifel ziehen.“
Die Raubkatze war immer noch wütend über den Schlag, der sie aus dem Nichts getroffen hatte, aber sie musste ihm glauben. Lucas würde keinen seiner Wächter anlügen, auch wenn die Wahrheit noch so bitter wäre. „Also, was ist jetzt?“, fragte sie und öffnete die Faust wieder.
„Wir haben Bowen und seine Leute überprüft – seine Angaben haben sich bestätigt. Im Moment habe ich sie auf die Söldnertruppe des Menschenbunds angesetzt, aber hauptsächlich sollen sie uns Informationen liefern. Wenn wir herausfinden könnten, wer oder was ihr Ziel ist …“
Mercy nickte. „Könnten wir die Sache von dort aus aufdröseln. Wer hat die Aufsicht über Bowen und sein Team?“
„Ich. Sobald sie etwas gefunden haben, gebe ich dir Bescheid – das stand nie außer Frage.“
Beruhigt, aber noch nicht ganz versöhnt, nickte Mercy. „In Ordnung. Ich werde dann mal weitermachen.“
Aber sie ging nicht sofort wieder auf Patrouille, denn sie spürte das starke Bedürfnis, ihre Mutter anzurufen. Trost, dachte sie. Wie ein Junges wollte sie getröstet werden. Aber es genierte sie überhaupt nicht. Sie gab die Nummer ihrer Familie ein und wartete, dass Lia abhob. „Hallo, Mom.“
„Was ist los, Schätzchen?“
Ihr Hals zog sich zu, in diesem einen Satz lag alle Liebe dieser Welt. „Ich bin ein wenig durcheinander.“ Sie hob eine Murmel auf, die auch schon bessere Zeiten gesehen hatte, warf sie in die Luft und fing sie wieder. „Wollte wahrscheinlich einfach nur deine Stimme hören.“
„Komm heute zum Abendessen, meine Kleine.“
„Ich weiß noch nicht, ob ich Zeit habe, Mom.“ In ihrem augenblicklichen Gemütszustand würde sie keine gute Gesellschaft abgeben. „Aber ich werde im Laufe der Woche vorbeischauen.“
„Mercy, Süße, hat dein Durcheinander etwa mit einem ganz bestimmten Wolf zu tun?“
Mercy zuckte zusammen. „Wer hat dir das erzählt?“
„Na ja, ich hatte gehofft, du würdest es selbst tun …“
„Hatte ich auch vor“, sagte Mercy, rollte die Murmel zwischen Zeigefinger und Daumen und fragte sich, wie sie darauf gekommen war, ihrer Mutter könne etwas verborgen bleiben.
„Macht nichts, meine Kleine. Ich habe die Sache selbst in die Hand genommen.“
Mercys Leopardin setzte sich auf. „Ach?“
„Ich habe gerade Riley angerufen. Er kommt morgen Abend um sieben zum Essen. Sei pünktlich, Süße.“
Nach ein paar weiteren Worten beendete Mercy das Gespräch. An der Einladung würde sie nicht vorbeikommen. Denn wenn sie nicht auftauchte, wäre der Vesuv ein Hüsteln gegen die Reaktion ihrer Mutter.
Es schien der Tag der Anrufe zu sein. Kaum hatte sie das Handy wieder in die Tasche gesteckt, meldete sich Ashaya. „Wir haben einen Schnelldurchgang mit den Proben gemacht, die du dem Toten entnommen hast“, sagte die Wissenschaftlerin aufgeregt. Viel zu aufgeregt. Mercy wollte schon fragen, ob alles in Ordnung sei, aber Ashaya fuhr bereits fort. „In den Proben waren Spuren desselben Mittels, dass wir bei den Männern gefunden haben, die mich entführen wollten.“
„Verdammt.“ Mercy schloss die Faust um die Murmel. „Habt ihr herausgefunden, was das Besondere daran ist?“
„Könnte sein.“ Ashaya machte eine Pause. „Ich soll jedoch darauf achten, dass Wölfe und Leoparden zur gleichen Zeit über die Ergebnisse informiert werden. Was machen wir da?“
Das war das normale Vorgehen, aber wegen des Gesprächs mit Lucas ärgerte Mercy sich darüber. Sie unterdrückte die emotionale Regung und sagte: „Riley ist in der Stadt. Ich werde ihn hier ins Hauptquartier bestellen.“
Sobald sie das Gespräch beendet hatte, gab sie Riley die Nachricht durch und begab sich dann wieder in das große Bürogebäude der Leoparden in der Nähe von Chinatown. Eigentlich hätte sie sich in ihrem eigenen Büro wohlfühlen sollen, aber die Raubkatze fand keine Ruhe, ihr Fell sträubte sich – als könne sie eine Gefahr wittern, die ihre menschliche Seite nicht wahrnehmen konnte. Frustriert schob Mercy die Ahnung zur Seite. Was konnte schon schlimmer sein, als dass ihre Loyalität infrage gestellt wurde – wenn auch nur unausgesprochen.
„Du hast mich angerufen?“ Riley kam herein und schloss die Tür hinter
Weitere Kostenlose Bücher