Sengende Nähe - Singh, N: Sengende Nähe
Glasperlen.
Mercys Herz hüpfte. „Mia. Sie lernt gerade, Schmuck herzustellen. Ist wahnsinnig stolz auf diese Ohrringe und hätte nie einen einfach so verloren.“
Ein Stück weiter lag ein abgetragener, handgefertigter Knopf. „Grey.“ Er hing an diesem blauen Hemd, auch wenn es inzwischen fadenscheinig war. Sage hatte die Knöpfe in einem seiner kreativen Anfälle selbst gemacht, und ihre Mutter hatte das Hemd genäht. „Sie haben uns eine Spur hinterlassen. Vielleicht waren sie doch nicht bewusstlos.“
„Oder die Wirkung hatte bereits nachgelassen.“
Da sie nun wussten, dass die Vermissten hier vorbeigekommen waren, hätten sie die Verfolgung schneller vorantreiben können, aber sie folgten weiter langsam und aufmerksam der Spur. Das Gelände war groß – sie wollten nichts übersehen. Das war auch besser so … denn nur fünf Minuten später fanden sie sowohl die Leoparden als auch die Wölfe. Die jungen Gestaltwandler lagen an einem Pfeiler, der so von Grün umwuchert war, dass sie sie leicht hätten übersehen können. Und alle sieben waren mit einem Duft besprüht, der Gestaltwandlernasen in die Irre führen sollte.
Sie lagen da wie tot.
„Nein.“ Mercy ließ sich auf die Knie fallen und suchte mit zitternden Händen nach dem Puls. Als sie die ersten schwachen Schläge spürte, blieb ihr eigenes Herz beinahe stehen. „Alle sind noch am Leben.“ Ihre Hand strich über das Gesicht ihres Bruders. „Ich liebe dich, du Nervensäge.“
Riley gab die Nachricht per Telefon weiter, und es kam ihnen später so vor, als seien nur Sekunden danach Tamsyn und Lara, die Heilerin der Wölfe, schon zur Stelle gewesen. Kurz darauf befanden sich die sieben jungen Frauen und Männer bereits auf dem Weg ins Krankenhaus. Lucas begleitete die Heilerinnen, Hawke blieb vor Ort, um nach weiteren Spuren zu suchen.
Mercy hatte mit Grey zum Krankenhaus fahren wollen, doch dann riefen ihre Eltern an, um ihr zu sagen, sie seien bereits auf dem Weg dorthin. So blieb auch sie dort, denn sie wollte die Typen finden, die gewagt hatten, sich an ihrem Bruder und den anderen zu vergreifen. Nachdem die Krankenwagen fort waren, drehte sie sich suchend nach Riley um.
„Sie hatten alle einen Zettel mit demselben Wortlaut dabei“, sagte Riley gerade zu Hawke. „Haltet Euch aus den Geschäften des Menschenbundes heraus, sonst sind die Nächsten tot.“
„Nett, dass sie uns eine Visitenkarte hinterlassen haben“, sagte Hawke wütend. „Wie sicher ist es eigentlich, dass der Menschenbund dahintersteckt?“
„Die Techniker haben noch nicht alle Untersuchungen abgeschlossen, konnten aber schon bestätigen, dass die Fingerabdrücke auf den Zetteln zu denen passen, die wir im Lagerhaus gefunden haben.“
Hawke schüttelte den Kopf. „Sieht alles nach einem Machtspielchen aus, aber der Zeitpunkt verleitet mich eher zu der Annahme, als hätten sie etwas Größeres vor und wollten uns nur ablenken.“
„Könnte beides stimmen“, murmelte Riley. Sein Haar schimmerte in der Morgendämmerung wie Bronze. „Sorgfältig geplante Machtdemonstration und Nebelbombe.“
„Die Anschläge auf die Ratsmitglieder sind fehlgeschlagen“, sagte Mercy. „Damit sind Bowen und seine Leute wahrscheinlich das nächste Ziel.“
Rileys Gedanken gingen in dieselbe Richtung. „Wir müssen sie warnen.“
„Und ein Bombenkommando hinschicken.“ Mercy holte ihr Handy heraus.
„Wenn das erledigt ist“, sagte Hawke, „müsst ihr beide zu unserem Versammlungsplatz auf der Lichtung.“
Riley spürte Mercys Wut. „Du bist nicht mein Alphatier.“
„Formalitäten“, sagte Hawke mit seiner üblichen Arroganz. „Es geht um das Treffen mit den WindHaven-Falken.“
Der Leitwolf wandte sich anderen Aufgaben zu, und Riley war gerade zu dem Schluss gekommen, er würde ihm eins auf sein Mundwerk geben müssen – und nicht nur einmal –, als Mercy sich zu ihm umdrehte. „Ganz egal, welche Konsequenzen es für uns beide hat, ich werde mein Rudel nicht verlassen, selbst wenn wir Gefährten werden.“
„Selbst wenn?“ Er griff nach ihrem Arm und zog sie an sich. „Was soll denn das bedeuten? Wir sind doch schon so gut wie Gefährten.“ Wenn sie zurücknahm, was zwischen ihnen gewesen war, so tat, als würde das alles nicht zählen, würde er daran zugrundegehen.
„Aber ich bin kein Wolf.“ Sie fletschte die Zähne. Dann beugte sie sich zu seiner Überraschung vor und küsste ihn so wild und voller Hingabe, wie es nur Mercy konnte. „Und
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