Sengendes Zwielicht - Lady Alexia 05
komplizierten Trambahnapparat ohne Maschinist gezogen wurde. Die Adresse des Vampirhauses war somit kein gut gehütetes Geheimnis mehr, denn die Vampire wähnten sich auf dem Land in einem gewissen Gefühl der Sicherheit. Dennoch waren sie Vampire, weshalb es keine Straße mehr gab, die direkt nach Woolsey führte, sondern nur diesen speziellen Zug, dessen Betrieb von den Drohnen an der Endhaltestation Woolsey Castle aus streng kontrolliert wurde.
Zögerlich näherte sich Lady Maccon dem ungewöhnlichen Gefährt. Es sah aus wie ein gedrungenes Ruderboot mit flachem Boden auf Schienen, mit stoffbezogenem Interieur und zwei riesigen Sonnenschirmen. Major Channing half ihr beim Einsteigen und nahm ihr gegenüber Platz. Beide starrten sie in die Landschaft, damit sie einander nicht ansehen mussten, und warteten darauf, dass etwas geschah.
»Ich nehme an, wir müssen sie irgendwie darauf aufmerksam machen, dass wir im Zug sitzen.« Alexia sah sich nach irgendeiner Art von Signalgeber um, irgendeinem Gerät, das dazu dienen konnte, die Drohnen an der Endhaltestelle auf Fahrgäste aufmerksam zu machen. Sie entdeckte auf dem Rand der Bank eine Art Revolver mit einem ungewöhnlich dicken Lauf. Nachdem sie diesen einer eingehenden Untersuchung unterzogen hatte, schoss sie damit in die Luft.
Es gab einen gewaltigen Donnerschlag, sodass Major Channing heftig zusammenzuckte, sehr zu Alexias heimlicher Freude, und der Revolver spie einen blendend weißen Feuerball in den Himmel, der hoch emporstieg und dann verblasste.
Alexia betrachtete den Revolver voller Anerkennung. »Genial. Muss von Madame Lefoux sein. Ich wusste gar nicht, dass sie sich auch mit Ballistik auskennt.«
Channing verdrehte die eisblauen Augen. »Diese Frau ist unverbesserlich.«
Sie hatten keine Zeit, länger über die Signalpistole nachzudenken, da das »Ruderboot« unvermittelt einen Satz machte, der Alexia hart gegen eine der Stützen der Sonnenschirme prallen ließ. Jetzt war es an Major Channing, sich mehr oder weniger heimlich über sie zu amüsieren. Sie rollten vorwärts, zuerst in recht gemächlichem Tempo und dann mit wachsender Geschwindigkeit. Die Schienen führten den lang gestreckten Hügel empor, auf dem Woolsey Castle kauerte, ein verworrenes und verwirrendes Kuddelmuddel der Architektur.
Countess Nadasdy hatte getan, was sie konnte, um das ehemalige Domizil der Maccons zu verschönern, doch es hatte genau das Gegenteil bewirkt. Das daraus resultierende Gebäude sah mürrisch über die Würdelosigkeit der Veränderung aus. Sie hatte das alte Gemäuer vollständig neu streichen und bepflanzen und dekorieren lassen, doch das Ergebnis war in etwa so, als würde man eine Bulldogge wie eine Balletttänzerin herausputzen; unter all dem Tüll blieb sie immer noch eine krummbeinige Bulldogge.
Major Channing half Alexia aus dem Tramwagen, dann stiegen sie die breite Treppe zur Eingangstür empor. Es war ein merkwürdiges Gefühl für Alexia, die Klingelschnur zu ziehen, denn dies war einmal ihr Zuhause gewesen. Sie konnte nur erahnen, wie sich Major Channing fühlen musste, der in diesem Haus Gott weiß wie viele Jahrzehnte gelebt hatte.
Sein Gesichtsausdruck war stoisch. Zumindest hielt sie ihn für stoisch – das war schwer zu sagen unter all der gut aussehenden Überheblichkeit.
»Sie hat jedenfalls einige«, er zögerte kurz, »Veränderungen vorgenommen.«
Lady Maccon nickte. »Die Tür ist mit Silberbeschlägen verziert. Silber!«
Major Channing hatte keine Gelegenheit, darauf etwas zu äußern, da besagte Tür von einem wunderschönen jungen Dienstmädchen geöffnet wurde. Sie hatte glänzendes ebenholzschwarzes Haar und trug ein gerüschtes schwarzes Kleid, eine strahlend weiße Bluse und eine an der Vorderseite festgesteckte schwarze Schürze. In jeder Hinsicht vollkommen, wie man es vom Haushalt der Countess erwarten konnte.
»Lady Maccon und Major Channing für Countess Nadasdy«, stellte Alexia sich selbst und ihren Begleiter vor.
»O ja, Sie werden bereits erwartet, Mylady. Ich werde meine Herrin darüber informieren, dass Sie hier sind. Würde es Ihnen etwas ausmachen, einen Augenblick im Foyer zu warten?«
Lady Maccon und Major Channing machte es nichts aus, da sie völlig damit beschäftigt waren, die Veränderungen auf sich wirken zu lassen, die die Countess ihrem ehemaligen Domizil hatte angedeihen lassen. Die Teppiche waren nun allesamt dick und flauschig und von blutroter Farbe, die Wände in dezenten Creme- und
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