Sengendes Zwielicht - Lady Alexia 05
Lord Akeldama, »herrschte noch nie zuvor so lebhaftes Treiben. Und das , meine Zuckerpfläumchen, muss schon was heißen !«
Lady Maccon ließ ihre Tochter schlafend im Salon zurück und tauschte ihr Abendkleid gegen ein ecrufarbenes Besuchskleid über einem bronzefarbenen Rock mit Verzierungen aus braunem Samt. Es war vielleicht ein wenig zu schmucklos für den Besuch bei einer Vampirkönigin, aber es war außerordentlich geeignet für öffentliche Transportmittel. Sie rief eine der Drohnen herbei, ihr mit den Knöpfen behilflich zu sein, da Biffy – ihr Damendiener , wie sie ihn gern nannte – mit seinen Hüten beschäftigt war. Dann verstaute sie Ethel in einem Retikül aus braunem Samt, wobei sie sich vergewisserte, dass der Revolver vollständig mit Sundowner-Patronen geladen war. Eigentlich verabscheute Alexia schon die bloße Vorstellung, dass sie gezwungen sein könnte, die Waffe tatsächlich zu benutzen. Wie jede wohlerzogene Frau zog sie es vor, nur drohend damit herumzufuchteln. Das rührte zum Teil auch daher, dass sie damit bestenfalls eine Scheunenwand traf – wenn es eine sehr große Scheune war und sie sehr dicht davor stand. Dennoch, selbst wenn sie mit der Waffe nur drohte, war es ganz gut, diese Drohung notfalls auch in die Tat umsetzen zu können.
Sie nahm sich einen Augenblick Zeit, das Fehlen ihres Sonnenschirms zu beklagen. Jedes Mal, wenn sie das Haus verließ, wurde sie sich schmerzlich der Tatsache bewusst, dass es ihn nicht mehr gab. Sie hatte Conall um Ersatz gebeten, doch er hatte nur geheimnisvoll gemurmelt, dass er ein Geschenk für sie in Vorbereitung hätte. Womöglich würde sie die Angelegenheit bald selbst in die Hand nehmen müssen. Da Madame Lefoux nun aber Woolsey verpflichtet war, musste Alexia erst einen Erfinder ausfindig machen, der in der Lage war, ein solch komplexes und nicht zuletzt modisches Kunstwerk herzustellen.
Floote besorgte zwei Bahntickets erster Klasse von London nach Woolsey für den Barking Express der Tilbury-Linie.
»Lord Maccon wird mich nicht begleiten, Floote. Könnte einer der Männer seinen Platz einnehmen?«
Floote ging die verschiedenen Möglichkeiten in Gedanken durch. Alexia wusste, dass sie ihrem Butler damit einiges abverlangte. Bei der Menge an Drohnen, Werwölfen und Clavigern, die sich gegenwärtig auf zwei Haushalte verteilten und in ganz London umherschwärmten, den Überblick zu behalten, fiel sogar einem Butler von Flootes geistigen Kapazitäten nicht leicht. Alexia wusste nur, dass Biffy im Hutladen unabkömmlich war und Boots zurzeit Verwandte in Steeple Bumpshod besuchte.
Floote seufzte leise. »Ich fürchte, augenblicklich steht nur Major Channing zur Verfügung, Madam.«
Alexia zuckte zusammen. »Wirklich? Wie bedauerlich. Aber ich kann ja wohl schlecht allein mit dem Zug reisen. Würden Sie ihm bitte sagen, dass seine Dienste als mein Begleiter erforderlich sind?«
»Natürlich, Madam.«
Floote schwebte davon und kehrte Augenblicke später mit ihrer Stola und Major Channing, dem karamellnasigen Gammawolf des London-Rudels, zurück.
»Lady Maccon, Sie benötigen meine Dienste?«, fragte Major Channing Channing von den Chesterfield Channings. Seine Aussprache war von einer Perfektion, wie es nur Generationen der besten Schulen, die beste Gesellschaft und ein Übermaß an Zähnen hervorbringen kann.
»Ja, Major«, bestätigte sie. »Ich muss Woolsey einen Besuch abstatten.«
Man sah Major Channing an, dass er am liebsten dagegen protestiert hätte, seine Alpha aufs Land begleiten zu müssen, doch er wusste ganz genau, dass Lady Maccon ihn nur darum bitten würde, wenn sie wirklich keine andere Alternative hatte. Und er wusste auch, dass ihn der ganze Zorn von Lord Maccon treffen würde, hätte er Lady Maccon allein reisen lassen. Also sagte er das Einzige, was er unter diesen Umständen sagen konnte: »Ich stehe natürlich zur Verfügung, Mylady. Bereit, willens und imstande.«
»Übertreiben Sie’s nicht, Channing.«
»Sehr wohl, Mylady.«
Mit kritischem Auge musterte Lady Maccon die Aufmachung des Gammas, der seine Militäruniform trug. Alexia war sich nicht sicher, ob das für einen Besuch bei Vampiren angemessen war. Aber blieb noch genügend Zeit, dass er sich umzog? Sollte sie ihre Gastgeber dadurch beleidigen, dass sie sich aufs Äußerste verspätete, oder lieber dadurch, dass sie einen Soldaten ins Domizil einer Vampirkönigin brachte? Ziemlich knifflige Frage.
»Floote, um wie viel Uhr fährt unser
Weitere Kostenlose Bücher