Sengendes Zwielicht - Lady Alexia 05
für sie erübrigte. Durch ihre jeweiligen Eheschließungen herrschte ein so großer Standesunterschied zwischen ihnen – ganz gleich, wie sehr Alexia sie auch vom Gegenteil zu überzeugen versuchen mochte –, dass Ivy es stets als Ehre empfand, weiterhin ihre Bekanntschaft genießen zu dürfen. Daran änderte auch nichts, dass Ivy Mitglied in Lady Maccons Geheimgesellschaft war und ihr als Spionin diente.
Dennoch hielt dies Mrs Tunstell nicht davon ab, besagte Lady Maccon in Sachen Lord Akeldama sanft zu tadeln. Der Mann war für Vaterschaft viel zu ungeheuerlich. Für Ivy war dabei die vampirische Seite seines Charakters weit weniger problematisch als sein skandalöses Verhalten und seine auffallende Kleidung. Selbst ihre Schauspielkollegen waren nicht so schlimm. »Kannst du dir denn kein Kindermädchen leisten, liebe Alexia? Ich kann das nur wärmstens empfehlen. Es ist äußerst wichtig für die Stabilisierung des Gemüts.«
»Oh, Lord Akeldama ist doch im Grunde ein Kindermädchen. Aber hinsichtlich des Gemüts macht das bei meiner Tochter keinen Unterschied. Prudence erfordert alle Mann an Deck, wenn du verstehst, was ich meine. Doppelt so schwierig wie ihr Vater, selbst an seinen übelsten Tagen.«
Ivy schüttelte den Kopf. »Also wirklich, Alexia, du sagst die schockierendsten Dinge, die man sich vorstellen kann.«
Da Lady Maccon wusste, dass dieser Austausch netter Höflichkeiten noch eine Dreiviertelstunde oder länger weitergehen konnte, lenkte sie das Gespräch auf ein Thema, das eher im Einklang mit dem Grund ihres Besuches stand. »Gestern Abend konnte ich die Premiere eures neuen Stücks verfolgen.«
»Ach, wirklich? Wie liebenswürdig! Sehr mäzenisch von dir. Hat es dir gefallen?« Erwartungsvoll faltete Ivy die Hände und sah ihre Freundin aus großen, glänzenden Augen an.
Das Dienstmädchen kam mit dem Tee, was Alexia einen Augenblick Zeit verschaffte, ihre Antwort angemessen zu formulieren. Sie wartete, während Ivy den Tee eingoss, und nahm dann einen bedächtigen Schluck, bevor sie begann. »Als eure Mäzenin darf ich es von ganzem Herzen gutheißen. Du und Tunstell habt mir alle Ehre gemacht. Eine einzigartige Handlung und ein höchst originelles Portrait von Liebe und Tragödie. Ich kann guten Gewissens behaupten, dass London noch nie etwas Vergleichbares gesehen hat. Oder jemals wieder sehen wird. Ich fand die Szene mit dem Hummeltänzer … fesselnd.«
»Oh, vielen Dank! Mir wird ganz weich ums Herz, das von dir zu hören.« Ivy strahlte regelrecht, und ihre üppigen dunklen Ringellöckchen wippten vor Freude.
»Ich habe mich gefragt, für welche Laufzeit euer Stück an diesem Aufführungsort angesetzt ist und ob ihr damit möglicherweise auch auf Tournee gehen wollt.«
Ivy nippte an ihrem Tee und dachte in aller Ernsthaftigkeit über die Frage nach. »Unser Vertrag läuft nur über eine Woche. Wir hatten vor, mit diesem neuen Stil erst einmal nur die Fühler auszustrecken und nach einem größeren Aufführungsort Ausschau zu halten, falls es gut ankommt. Warum? Hast du etwas im Sinn?«
Lady Maccon stellte ihre Teetasse ab. »Genau genommen habe ich mich gefragt, ob ihr nicht eine Tournee in Betracht ziehen könntet, und zwar nach …« Sie machte eine kleine Pause der Dramatik wegen. »… Ägypten?«
Mrs Tunstell keuchte auf und fuhr sich mit einer kleinen, weißen Hand an die Kehle. »Ägypten?«
»Ich glaube, das ägyptische Theaterpublikum würde den Todesregen vom Schwanensee wahrhaft bewegend finden. Das Thema ist so überaus exotisch, und soweit ich weiß, ist dort eine bedeutende Dame wohnhaft, die ein besonderes Interesse an Aufführungen dieser Art hegt. Habt ihr nicht einmal daran gedacht, das Stück auch außerhalb von London aufzuführen?«
»Nun ja, in Europa natürlich. Aber ganz bis nach Ägypten? Gibt es dort eigentlich Tee?« Ivy sah aus, als wäre sie der Vorstellung nicht gänzlich abgeneigt.
Seit ihrer Reise mit Alexia nach Schottland hatte Mrs Tunstell einigen Geschmack am Ausland gefunden. Alexia gab den Kilts die Schuld daran.
»Ich würde diese Expedition natürlich finanzieren und die notwendigen Arrangements treffen«, hieb sie noch ein wenig tiefer in die Kerbe.
»Oh, aber Alexia, bitte, du beschämst mich!« Ivy errötete, wies das Angebot jedoch nicht zurück.
»Als eure Förderin halte ich es für meine Pflicht, die tief bewegende Botschaft zu verbreiten, die eurem Stück innewohnt. Schon allein der Hummeltanz war ein Meisterwerk
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