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Sense

Sense

Titel: Sense Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Türblatt, dann noch eins, und Holzsplitter flogen surrend in alle Richtungen. Man feuerte auf uns! Stimmt schon, wir hatten angefangen, doch jetzt schossen sie zurück, und zwar mir gespenstischer Geräuschlosigkeit, zumindest solange sich die Bahn vorbeibremste.
    Es blieb uns nur eine Möglichkeit. Selbstmord. Durch den Durchgang und nach vorne auf den Platz zu rennen war Selbstmord, doch wir hatten keine Wahl. Ohne ein Wort sprinteten wir gemeinsam durch den engen Gang, weg von dem schrillen Quietschen der Zugbremsen und hinein in den Kugelhagel. Dachten wir.
    Doch der Platz war entvölkert. Drei Autos waren alles, was ich sah, als ich mit meinem keuchenden Partner im Rücken um die Ecke gejagt kam, von den Insassen keine Spur. Optisch, will ich sagen. Akustisch schon. Während die S-Bahn endlich zum Stehen kam, konnte man in und hinter der Halle ein wildes Durcheinander von hektischen Kommandos und eifrigem Fußgetrappel ausmachen.
    »Überlasst das Schießen mir!«, dröhnte Elvis. Wahrscheinlich war er es, der den Dämpfer vornedrauf hatte.
    Und der, weise, unnötigen Lärm zu vermeiden suchte. »Los, nach vorne, packt sie!«
    Ohne nachzudenken, wuchtete ich mich mit der Schulter gegen das Stahltor, stieß es donnernd zu, und Scuzzi, der schon im Ansatz kapiert hatte, warf den Riegel herum.
    Das kaufte uns vielleicht zwanzig Sekunden. Im Sport eine Ewigkeit, im realen Leben nichts als . gerade mal zwanzig Sekunden, vielleicht. Schon hörte man die Stimmen unserer Verfolger im Durchgang. Mehr aus Instinkt als nach reiflicher Überlegnung riss ich die Fahrertür des mir am nächsten parkenden Wagens auf. Es war der dunkle BMW. Kein Schlüssel. Atemlos sprang ich rüber zum nächsten, einem VW-Transporter. Damit hatten sie wohl den Stoff wegkarren gewollt. Was heißt, hatten gewollt. Wenn sie uns erwischten und sich ein bisschen beeilten, konnten sie es immer noch schaffen. Das Kreischen des Zuges hatte viel von Scuzzis Geballer übertönt.
    Abgeschlossen, der Bully.
    Blieb nur noch ein Auto, das dritte, letzte. Denn Laufen kam nicht in Frage. Diese gottverdammte Sackgasse war eine gottverdammte Todesfalle. Glatte, undurchdringliche Hallenwand rechts, übermannshoher Zaun links. Sie könnten uns lachend über den Haufen fahren, aus dem offenen Wagenfenster heraus niederknüppeln, wie es ihnen gerade gefiel, oder uns überholen, zurücktreiben und in aller Seelenruhe fertig machen. Wir mussten fahren, unbedingt.
    Der Dunkelhaarige mit dem Hufeisenschnäuzer erschien im Durchgang, eine Latte schwingend, gefolgt von einem der beiden Kugelköpfe mit einem Stahlrohr in der Hand.
    »Make my day«, sagte >Dirty Scuzzi< und feuerte aus der Hüfte. Irgendwo hoch über den beiden platzte eine Ecke von einem Kamin ab, doch dessen ungeachtet hechteten sie erst mal zurück in Deckung.
    Die Türen waren unverschlossen, trotzdem kam ich erstmal gar nicht rein in das Auto. Ich versuchte es wie gewohnt -rechtes Bein vor, reingehockt, linkes Bein nachgezogen - und kam über die erste Extremität nicht hinaus. Konfus und panisch versuchte ich es mit dem Kopf voran und scheiterte schon im Ansatz.
    »Arsch zuerst!«, schrie Scuzzi, der schon, mit den Beinen noch draußen, im Beifahrersitz hing und die 38er jetzt mit beiden Händen hielt, zielte und, als Hufeisen und Rundschädel eine erneute Attacke wagten, mehrmals rasch hintereinander abdrückte, wobei es allerdings nur noch zweimal knallte und dann in Klicken endete. Gurgelnd lief Wasser aus einer tödlich getroffenen Dachrinne.
    Meine Fresse, was war die Kiste eng! Der Sitz war aber auch viel zu weit nach vorne gerückt.
    »Kriegst du ihn an?«, fragte Scuzzi, Beine reinholend, Türe knallend und dann hastig seine Taschen durchwühlend.
    »Leicht«, sagte ich leichthin und drehte den Zündschlüssel. Nichts tat sich.
    Ich versuchte es noch mal, und wieder tat sich nichts! Gut, die Armaturen zuckten, und ein paar Lämpchen glommen, doch ansonsten - Nüsse.
    Ich hätte mir fast die Zunge abgebissen, da fiel erst mein Auge und dann recht gewichtig mein Daumen auf den Starterknopf, und hinter den Sitzen meldete sich der Motor mit einem Brüllen zum Dienst. Hufeisen und Rundschädel sprangen wieder aus der Deckung und machten sich am Tor zu schaffen, gegen das wohl ihr Boss von innen hämmerte. Der mit dem Schalldämpfer.
    Es kostete mich eine mannhafte Träne, doch ich bekam den Knüppel zu fassen und den Ersten eingelegt. Schotter begann zu fliegen, als ich das gelochte

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