Sense
Kupplungspedal, Licht zu leuchten, als ich den geriffelten Hebel am Lenkrad bewegte. Trotz Vollgas wollte die Fuhre auf dem losen Untergrund keine Fahrt aufnehmen, rüttelte bloß mit dem Hintern wie verrückt und drehte sich nur mit entnervender Langsamkeit in die Richtung, die ich vorgab. Ringsum erwachte der Platz zu hektischer Betriebsamkeit. Rechts versuchten drei Mann, uns einen Müllcontainer in den Weg zu schieben, während ich aus dem Augenwinkel das Hallentor aufschwingen und Elvis mit wutverzerrtem Blick seine Waffe in Anschlag nehmen sah, bevor das Wagenheck endlich herumkam und ihn mit einem horizontalen Hagelschauer aus Kies und Sand eindeckte.
Bis zum Asphaltband der Straße waren es keine zwanzig Meter mehr. Wir hatten dem Müllbehälter ausweichen können und kamen, wenn auch mit alptraumhafter Zähigkeit, allmählich in Schwung, der Motor röhrte, und Schotter prasselte in die hinteren Radkästen, und mein Fuß bearbeitete das Gaspedal, vor und zurück und wieder vor, in der verzweifelten Suche nach Grip und damit letztendlich rettendem Vortrieb. Was immer hinter uns los sein mochte, verschwand in einer Staubwolke, doch nach vorne war die Sicht klar und von vier Scheinwerfern auf Fernlicht überdeutlich ausgeleuchtet.
Da stand ein Mann im Weg, urplötzlich. Breitbeinig, blinzelnd im grellen Licht, bis er seine geliebte, verspiegelte Brille aus der Stirn nahm und zurechtrückte. Ein Monster von einer Pistole baumelte an seiner Rechten, die Linke presste ein winziges Handy ans Ohr. Es folgte ein verstehendes Nicken, das Handy verschwand in einer Brusttasche, die Pistole hob sich, gehalten von zwei gestreckten Armen, mit Ruhe und Präzision, und der Motor hinter uns stotterte knatternd, als der Drehzahlbegrenzer eingriff.
Ich nehme an, dass mein Fuß weiter auf dem Pedal herumpumpte, ich weiß, dass der Wagen rüttelnd und schlingernd vorwärtskroch, ich meine, mich zu erinnern, dass Scuzzi etwas Warnendes rief, während er mit fliegenden Fingern Munition in seine leer geschossene Revolvertrommel fummelte, und eine Vielzahl von Dingen mögen sonst noch rings um mich herum geschehen sein, doch ich hatte nur Augen für diese finstere, matt glänzende, riesige Pistole und den Viertelkreis, den sie beschrieb, aufwärts. Wie gelähmt beobachtete ich sie Knie-, Bauch- und Brusthöhe passieren und begriff, dass ich, sobald das schwarze Loch an ihrem vorderen Ende kreisrund geworden war, ausgeschissen hätte, und zwar für immer. Magische Ruhe herrschte um mich herum, ich schien gefangen in einer sich mehr und mehr verlangsamenden Zeitlupe, das Bild würde gleich zu einer Momentaufnahme gefrieren, einer, meiner letzten, als plötzlich jemand den Knopf für schnellen Suchlauf drückte, und alles auf einmal passierte.
Die fiese, schwarze Öffnung am vorderen Ende des finsteren Laufs der übergroßen Waffe zeigte auf meinen Adamsapfel, als unsere Hinterräder Asphalt erreichten und augenblicklich griffen. Der Ferrari machte einen wütenden Satz nach vorne, die Pistole knuffte uns einen Stern in die Windschutzscheibe, über die in direktem Anschluss ein nur noch aus wirbelnden Armen und Beinen bestehender Körper hinweggerissen wurde, der hinter uns gegen den Heckflügel krachte, ihn mittendurch brach, dann war er weg, die Straße frei, der Motor schon wieder im Begrenzer, die erste Kurve da.
Ups!
Eine Hand so gut wie unbrauchbar, die andere kaum besser, war es nicht viel mit Gegenlenken, bis wir einen kompletten Dreher hingelegt hatten, 360 Grad, recht gekonnt eigentlich, auch wenn die gesamte Front von da ab ein bisschen nach links schielte, weil bei circa 270 Grad ein Zaunpfahl im Weg gestanden hatte.
»Mittelmotor«, erklärte ich meinem Beifahrer, der die bei unserem Katapultstart im ganzen Auto verteilten Revolverkugeln zusammensuchte. »Wenn die sich einmal drehen, dann drehen sie sich.« Scuzzi grunzte nur. Ich beschleunigte. Noch einmal rechtwinklig linksrum, einmal rechtsrum, fünfhundert Meter geradeaus, und wir wären auf der Duisburger Straße. Und dann?
Dann würden wir weitersehen. Noch bevor wir den ersten Knick erreichten, füllten vier äußerst giftige, bläulich schimmernde, voll aufgeblendete Scheinwerfer alle Spiegel. Der BMW.
Kohlenstaub ist ja so was von rutschig. Die Bremsen bissen zu wie die Krokodile, und ich musste sie wieder loslassen, oder wir wären geradeaus in die Mauer gesemmelt.
Ei-ei-einnnnlenken - rasant wie beim Gokart und genau so nervös - und dann wieder aufs Gas.
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