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Sensenmann

Sensenmann

Titel: Sensenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clausia Puhlfürst
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nackten Fenster in den verwilderten Garten. Matthias musste sie nicht zählen. Er wusste, dass es im Erdgeschoss sieben waren, darüber noch einmal sieben, von denen die drei mittleren auf einen Balkon mit Eisengeländer hinausführten. Im Dachgeschoss überragte ein griechisch anmutender Giebel drei der gläsernen Augen. Im Licht der Vormittagssonne wirkte das Haus hinter der Natursteinmauer weniger düster, als er es in Erinnerung hatte. Nichts erinnerte an die schrecklichen Dinge, die hinter dem eisernen Tor passiert waren. Von Weitem betrachtet, war es einfach nur eine leerstehende Villa in einem parkähnlichen Grundstück, dem Verfall preisgegeben, wenn sich nicht jemand fand, der das Gebäude sanierte.
    In der abgelegenen Straße war es still. Man konnte den Eindruck gewinnen, sich fernab jeglicher Zivilisation zu befinden. Matthias schloss die Augen wieder und horchte in sich hinein. In seinem Kopf herrschte gläserne Leere. Er konnte sich nicht entscheiden auszusteigen, und so blieb er einfach sitzen, die Hände
im Schoß gefaltet, den Kopf an die Nackenstütze gelehnt. Ganz weit entfernt erklang ein Kinderlied, gesungen von einem feinen Stimmchen. Dann weinte ein kleines Mädchen, fast unhörbar.
     
    Ein Poltern ließ Matthias die Augen aufreißen. Er stand direkt vor dem Seiteneingang des ehemaligen Kinderheimes, die Rechte um das Geländer gekrallt, den Fuß erhoben, um ihn auf die erste Stufe zu setzen. Neben ihm lag ein Brett, an das er wohl gestoßen sein musste und das beim Umfallen den Krach verursacht hatte. Vorsichtig sah er in Richtung Straße. Das Tor war verschlossen, die Mauer versperrte die Sicht auf Fußweg und Autos. Wie war er über den Zaun gekommen? Ein Blick auf seine Jeans zeigte ihm, dass er wohl darübergeklettert sein musste. Die Knie waren mit hellem Staub und schmierigem Algengrün beschmutzt. Die Handflächen zeigten die gleichen Flecken. Er war über die Mauer gestiegen, und jetzt hatte er vor, wie ein Einbrecher in dieses Haus einzudringen.
    Bedächtig stieg Matthias die drei Stufen nach oben und betrachtete die zweiflügelige Holztür. Die beiden Glasscheiben im oberen Bereich waren von innen mit Brettern vernagelt. Wie von selbst fanden seine Finger die Klinke und drückten sie nieder, aber die Tür gab nicht nach. Wie hätte es auch anders sein können. Dieses Haus stand seit Jahren leer. Man hatte es gesichert, vor Vandalismus, Einbrechern, Pennern und Tieren, die einen Unterschlupf suchten. Auf dem steinernen Podest stand man wie auf dem Präsentierteller. Aber es gab noch andere Möglichkeiten. Er kannte dieses Haus in- und auswendig und würde hineingelangen, egal welche Barrieren dies zu verhindern suchten.
    Was willst du denn da drin? , wisperte ein Stimmchen in ihm.
    »Mich erinnern! Ich will mich endlich an alles erinnern. Stör mich nicht.«
    Schritt für Schritt ging Matthias wieder nach unten und tastete sich wie in Trance um das Gebäude herum. Im Garten wiegten
sich die alten Bäume und schüttelten leise ihr Laub. Grüngefiltert flimmerte Sonnenlicht durch das Blattwerk.
    An der Rückseite gab es ein Zimmer mit einer in den Garten hinausgebauten Veranda, in dem der jeweilige Heimleiter residiert hatte. Das Grundstück im hinteren Bereich war riesig und verwildert. Danach kam nur noch ein kleiner Hang, dann Wald. Keine weiteren Häuser, keine Straße. Niemand würde ihn sehen können, wenn er eine Scheibe einschlug, um in das Haus zu gelangen.
    Matthias bog um die Ecke und erstarrte. Die Veranda war verschwunden. Man hatte sie abgerissen und die Öffnung zugemauert. Stattdessen fand er nun einen betonierten Platz vor und auf der anderen Seite einen zweistöckigen Anbau mit zehn Fenstern auf jeder Etage, der zu seiner Zeit noch nicht existiert hatte. Das alte Heizhaus war durch einen Neubau ersetzt worden. Er stützte sich an der Wand ab und überdachte die neue Situation. Den Anbau und die neuen Funktionsgebäude konnte er vergessen. Da sie zu seiner Zeit noch nicht da gewesen waren, würde es hier auch keine Erinnerungen an früher geben. Für ihn waren nur das Hauptgebäude und das Pförtnerhaus relevant. Der Begriff »Pförtnerhaus« rief schlierige Verwirbelungen in seinem Kopf hervor, und Matthias hörte sich ächzen und rief sich zur Räson. Wenn er sich nicht ein bisschen konzentrierte, konnte er die ganze Aktion auch gleich ganz abblasen.
    Zuerst das Hauptgebäude. Hier hatten er und Mandy viele Jahre gewohnt, gegessen, geschlafen. Die Räume mussten vor

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