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Sensenmann

Sensenmann

Titel: Sensenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clausia Puhlfürst
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Kinderheim auf Jersey haben meinem Unterbewusstsein auf die Sprünge geholfen.
    Grünkern war ein pädophiles Schwein. Nachdem ich ihm ein bisschen Beine gemacht hatte, ist er mit der Sprache herausgerückt.
Ich möchte die unsäglichen Dinge nicht wiederholen, die er den Kindern  – bevorzugt kleinen Mädchen, wie Du eines warst  – angetan hat. Vielleicht ist Dein Gehirn gnädig und erspart Dir die schändlichen Bilder. Lass sie im Verborgenen ruhen! Es ist nicht gut für die Psyche, wenn man alles hervorzwingt.
    Rainer Grünkern wird jedenfalls nie wieder einem kleinen Kind Unheil zufügen. Er hat gebüßt, und das nicht wenig. Es war auch höchste Zeit, ihm den Garaus zu machen. Dieses Monstrum hat auch als Rentner nicht von seinen abscheulichen Neigungen gelassen. Er besaß hunderte von Kinderpornos und war im Internet in einschlägigen Foren und Chatrooms aktiv. In mir steigt sofort wieder die Wut auf, wenn ich daran denke, was dieses Scheusal Tag für Tag in seinem abgeschotteten Schlafzimmer getan hat.
     
    Man hat die Leiche schon gefunden, stell Dir vor! Ich muss die Wohnungstür offen gelassen haben. Aber das macht nichts. Die Polizei wird inzwischen seinen Computer durchsucht und seine Internetaktivitäten entdeckt haben. Es wimmelt dort nur so von Motiven für einen Mord an Rainer Grünkern.
     
    Ich arbeite mehrgleisig weiter. Über Sebastian Wallau bekomme ich Kontakt zu anderen Heimkindern. Wir erstellen gemeinsam eine Beweisliste mit Namen und Taten. Dabei muss ich mich ein bisschen in Acht nehmen. Es darf nicht herauskommen, dass schon vier der Verbrecher von damals in kurzer Folge nacheinander getötet wurden. Aber soweit ich recherchiert habe, hat die Polizei die Fälle ja auch noch nicht miteinander verknüpft. Wenn wir Glück haben, dauert das auch noch ein bisschen.
    Mein dringlichstes Vorhaben ist die Suche nach meiner/unserer Akte.

    Bis jetzt habe ich herausbekommen, dass Dokumente über jedes Kind in den Heimen selbst angelegt und bis zu fünfzehn Jahre nach Ausscheiden aufbewahrt wurden. Manchmal wurden sie dann vernichtet, manchmal auch nicht. Auch die Jugendämter haben Akten geführt. Entweder wurden sie dort gelagert oder aber in die Landesarchive gebracht. Dass die Wende dazwischenkam, ist für unsere Vorhaben schlecht.
    In den Wirren dieser Zeit ging vieles an Information verloren. Mit Sicherheit hatten auch unsere Erzieher ein Interesse daran, die Aufzeichnungen verschwinden zu lassen. Aber ich will es zumindest versuchen. Vielleicht ist mir das Glück hold. Ich muss also heute zuerst zum zuständigen Jugendamt fahren, und wenn ich dort nichts finde, zum Landesarchiv. Ich nehme an, dass die Kinderheimakten in Chemnitz lagern, aber genau weiß ich es nicht. Das wird man mir aber bestimmt beim Jugendamt sagen.
    Du siehst, meine liebe Mandy  – es gibt unheimlich viel zu erledigen. Deshalb beende ich hier meinen Brief mit dem Versprechen, Dich auf dem Laufenden zu halten.
     
    Bis bald!
    In Liebe,
    Dein Bruder
    Matthias Hase faltete den Brief sorgsam und klappte die Schatulle auf. Die Schreiben an Mandy häuften sich allmählich. Liebevoll strichen seine Fingerspitzen über das Papier, während er versunken lächelte. Dann drückte er den Deckel des Holzkästchens zu und gähnte. Er war heute sehr früh aufgestanden. Inzwischen war es kurz vor halb acht, und er wollte vor seiner Fahrt noch duschen und Kaffee trinken. Er gähnte noch einmal und erhob sich. An die Arbeit!

     
    Matthias parkte seinen Golf am Straßenrand, schloss die Augen und dachte nach. Er wusste genau, wo er war. Etwas hatte ihn vom Weg abgebracht. Ein unerbittlicher Zwang hatte seinen Körper genötigt, das Auto hierherzulenken. Jetzt sollte er aussteigen und sich dem Anblick stellen, aber er brauchte noch einen Moment. Eine Wolke schob sich vor die Sonne und verdunkelte die Straße. Matthias fröstelte. Am liebsten wäre er wieder davongebraust, hätte das Gaspedal bis zum Bodenblech durchgetreten und wäre um die nächste Ecke gerast, aber er wusste, dass das nicht möglich war. Nicht, bevor er sich umgesehen hatte. Mit einem Ruck öffnete er die Augen und betrachtete die Umgebung.
    Sein Auto stand in einer alleeähnlichen Straße. Mächtige Kastanien säumten die breiten Gehwege. Hinter dunklen Mauern protzten Villen, manche restauriert, manche noch im grau-bröckeligen Originalzustand ihres DDR-Daseins. Das Anwesen, vor dem er parkte, war noch nicht wieder hergerichtet worden. Düster blickten die

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