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Sensenmann

Sensenmann

Titel: Sensenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clausia Puhlfürst
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gerechte Strafe bekommen, so viel war sicher.
    Zuerst checkte Lara den Newsticker, fand aber nichts, das ihr interessant genug erschien, um gründlicher nachzulesen. Der Hampelmann war außer Haus. Sie konnte in Ruhe ihre Nachforschungen abwickeln. Natürlich hätte sie auch zu Hause recherchieren können, aber sie kam von außen nicht in den Dienstcomputer, und da sie gestern Abend die Mails hier am Arbeitsplatz geschrieben und dann vergessen hatte, die Antworten auf ihren Privataccount umzuleiten, konnten eingehende E-Mails an Lara Birkenfeld auch nur hier abgefragt werden. Zuerst aber wollte sie sich die Seiten zum Kinderheim Ernst Thälmann ansehen, die Sebastian Wallau gestaltet hatte. Lara rief ihre Notizen auf, klickte auf den Link und verschwand im Jahre 1988.
     
    »Hubert und ich gehen essen. Kommt jemand mit?« Friedrich stand in der Tür, die obligatorische Zigarette hinter dem Ohr, und blickte in die Runde.
    »Ich hab zu tun. Sorry, Jungs.« Tom tippte unentwegt. Isabell kam aus dem Nebenraum und schüttelte den Kopf, wobei sie zu Tom sah. Nur Lara nickte und angelte ihre Tasche von der Lehne.
Der Ausflug an die frische Luft bot eine gute Gelegenheit, Mark anzurufen, ohne dass die halbe Redaktion mithörte.
     
    »Ich bin vielleicht vollgefressen!« Friedrich strich sich über den deutlich sichtbaren Bauch. »Aber das war lecker!« Hubert nickte und stampfte hinter ihm die Treppe hoch. Lara folgte den beiden und verkniff sich ein Grinsen. Sie hatte im Gegensatz zu den Männern nur einen Salat mit Thunfisch gegessen und fühlte sich erfrischt. Leider war Mark nicht an sein Handy gegangen, und als sie es in der Praxis versuchte, hatte sie von seiner Sprechstundenhilfe nur erfahren, dass er überraschend seine Nachmittagstermine abgesagt hatte, um zu einem wichtigen Termin zu fahren. So hatte Lara ihm lediglich eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen, dass sie Neuigkeiten im Fall Grünkern habe und er sie schnellstmöglich zurückrufen sollte.
    Oben angekommen, schnaufte Friedrich hörbar. Mit einem atemlosen »Dann wollen wir mal wieder« öffnete er die Tür. Hintereinander marschierten sie in die Redaktion. Die beiden Männer verschwanden im Nebenraum. Lara sah sich um. Tom war verschwunden, und auch Isabell war nirgends zu sehen. Vielleicht hatten die beiden sich doch für eine gemeinsame Pause entschieden. Laras Lächeln verblasste, als ihr Blick auf das Standby-Lämpchen ihres Rechners fiel. Der USB-Stick war noch immer angesteckt. Sie hatte vergessen, ihn mitzunehmen. Du lernst es nie, Lara Birkenfeld.
    Mit einem Schnaufen setzte sie sich auf ihren Drehstuhl und erweckte den Computer zum Leben.
    Zumindest eines hatte sie voriges Jahr gelernt: herauszufinden, wann die Dokumente auf ihrem Rechner zuletzt geöffnet worden waren. Mit drei schnellen Klicks stellte sie fest, dass vor fünfzehn Minuten jemand die Dateien zu »Plattenbauleiche eins«, »Plattenbauleiche zwei« und »Recherche Kinderheime« angeklickt hatte.

    Lara machte einen Bildschirmschuss zum Beweis. Sobald Tom zurück war, würde sie ihm die Hölle heiß machen. Dieses Mal würde er nicht ungeschoren davonkommen! Mit zusammengebissenen Zähnen betrachtete sie den Beweis noch ein paar Sekunden lang und beschloss dann, sich abzulenken. Sie hatte noch eine Dreiviertelstunde bis zu ihrem eigentlichen Dienstbeginn. Gerade genug Zeit, um die Mailbox abzufragen. Lara loggte sich ein.
    Hallo, Frau Birkenfeld,
    das scheint ja ein reger Briefwechsel zu werden …
    Sie haben den Knackpunkt in meiner Mail gleich erkannt.
    Ganz richtig, wenn etwas »verjähren« kann, dann muss es sich um etwas Unrechtes handeln, etwas, das eine Gesetzesstrafe nach sich ziehen würde.
    Was ist in unserem Heim passiert?, fragen Sie. Das ist nicht mit wenigen Worten zu beschreiben. Es waren viele Kleinigkeiten und daneben auch richtig schlimme Dinge. Ich bin mir noch unschlüssig, ob ich Ihnen meine Erfahrungen einfach so anvertrauen kann.…
    Sie haben nach Herrn Grünkern gefragt. Leider kann ich dazu nicht viel sagen. Er war bis Mitte der achtziger Jahre Heimleiter im Ernst Thälmann. Danach kam Frau Sagorski. Ihn selbst habe ich also gar nicht kennengelernt, sein Name ist mir nur aus den Berichten einiger anderer Heimkinder bekannt, mit denen ich gemailt habe.
    Er war ein sehr böser Mann. Mehr möchte ich dazu nicht sagen. Nur so viel: Grünkern stand auf Kinder, wenn Sie wissen, was ich meine. Angeblich bevorzugte er blonde Mädchen, je jünger, desto

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