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Sensenmann

Sensenmann

Titel: Sensenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clausia Puhlfürst
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disziplinieren. Sie prustete verächtlich. Antiautoritäre Erziehung, was für ein hirnloser Quatsch!
    Langsam schlurfte sie vorwärts, sah, wie die junge Frau aus dem Nachbarhaus ihr Balg im Kindersitz festschnallte  – als ob das Beachten der Sicherheitsbestimmungen eine verantwortungsvolle Erziehung ausgleichen könnte  – und passierte einen schwarzen Golf mit abgedunkelten Scheiben, der in der Sonne nachtblau schimmerte. Der Peugeot mit Mutter und Sohn kurvte aus der Parklücke und fuhr davon.
    Isolde Semper spürte ihre Knie bei jedem einzelnen Schritt. In ihrer Fantasie saß die Rotzgöre bei ihr am Küchentisch. Sie dachte darüber nach, wie das Balg noch hieß  – Dustin, Justin, Kevin? Dann verkniff sie sich ein Ächzen. Egal, was sie sich ausmalte, sie würde keine Gelegenheit bekommen, Dustin-Justin zu erziehen.
    Vor dem Supermarkt kläffte ein struppiger Köter. Sein Besitzer hatte den Hund direkt neben den Einkaufswagen angebunden. Isolde Semper dachte an Minkus und daran, wie wenig Sorgen man doch mit einer Katze hatte. Katzen äußerten ihren Unmut nicht geräuschvoll, man musste nicht bei jeder Witterung mit ihnen Gassi gehen, sie fielen keine Leute an und nervten die Nachbarn nicht. Sie zog einen Wagen heraus und rammte im Vorbeifahren
die Flanke der Töle, was diese zu einem jämmerlichen Aufheulen veranlasste. Ein schadenfrohes Grienen im Gesicht, betrat Isolde Semper den Supermarkt.
     
    »Sieben, acht, neun.« Matthias Hase hielt inne und spähte über den niedrigen Gartenzaun. Von der Rückseite betrachtet sahen die Häuser alle unterschiedlich aus. Wie gut, dass er an der Straßenfront mitgezählt hatte.
    Das Haus, in dem Isolde Semper wohnte, hatte im Gegensatz zu allen anderen Nachbardächern in der Magdeburger Reihenhaussiedlung graubraune statt dunkelroter Schindeln. Er schlenderte langsam weiter, scannte dabei Isolde Sempers kleinen Garten und die hohen Thuja-Hecken, die den Blick in die Nachbargärten fast vollständig abschirmten. Der Eindruck, dass die Frau, die hier wohnte, nichts mit den anderen zu tun haben wollte, verfestigte sich. Auch als Matthias sie vorhin aus dem Auto heraus beobachtet hatte, war ihm aufgefallen, dass sie anscheinend mit niemandem auskam. Der kleine Junge hatte ihr die Zunge gezeigt; seine Mutter war, ohne die Alte eines Blickes zu würdigen, an ihr vorbeigerauscht. Isolde Semper schien nicht sehr beliebt zu sein. Schlecht für sie, gut für ihn. Kein Nachbar wäre um ihr Wohlergehen besorgt. Ihr Verschwinden würde niemandem auffallen.
     
    Kater Minkus, der vom Wohnzimmer in die Küche gewechselt war, betrachtete den Fremden am Gartenzaun noch einen Augenblick, dann begann er hingebungsvoll, seine rechte Pfote zu säubern. Er wusste nicht, dass der Unbekannte ihm in den kommenden Tagen eine wichtige Rolle zugedacht hatte.
    Matthias Hase warf zum Abschied einen Blick auf die kleine Terrasse und spazierte davon. Das ganze Haus bestand aus festem Mauerwerk. Trotzdem würde er sich das Ganze noch von Nahem ansehen müssen, um zu entscheiden, wie hoch das Risiko
war, die Walze daheim zu verarzten. Der erste Erkundungsgang war erfolgreich gewesen. Er hatte Isolde Semper gefunden und das Umfeld ausgekundschaftet. Schon bei ihrem ersten Schritt aus der Tür war ihm klar gewesen, dass sie die Richtige war. Das mürrische Gesicht mit den verquollenen Augen und ihre massige Figur ließen keinen Zweifel zu. Während die ehemalige Heimerzieherin an seinem Auto vorbeitrampelte, ertönten leises Kinderweinen und würgende Geräusche in seinem Kopf, feine Stimmchen forderten Rache. Matthias Hase beschwichtigte sich selbst. Es hatte keine Eile. Die Walze würde ihm nicht davonlaufen. Er hatte alle Zeit der Welt, und es sollte nichts schiefgehen.
    Der schmale Trampelpfad hinter den Gärten führte in einem Bogen wieder auf die Straße zurück und mündete direkt neben einem Supermarkt. Ein schwarzer Hund saß mit hängendem Kopf neben den Einkaufswagen und schielte in Richtung Eingang. »Na, du Armer?« Matthias Hase schob das Geldstück in den Schlitz, zog den Karren heraus und ging in den Laden.
     
    Isolde Semper trat von einem Fuß auf den anderen. Der Schweiß rann ihren Rücken hinab in den Hosenbund, und sie knöpfte die Jacke auf, um etwas Luft an den Oberkörper zu lassen. Das Mädchen vor ihr trug ein ärmelloses Top und keinen BH darunter. Über die Schultern führten lediglich zwei dünne Bändchen. Bei ihren Armen konnte sie sich das leisten. Isolde

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