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Sensenmann

Sensenmann

Titel: Sensenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clausia Puhlfürst
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er eine kunstvoll-literarische, schwermütige Reportage über die dem Tod geweihten Plattenbausiedlungen in der ehemaligen DDR schreiben. Etwas Preisträgerverdächtiges.
     
    Tom hatte dreihundert Meter vor dem Gebäude gehalten, in dem die Leiche gefunden worden war. Alles war vollständig mit rotweißem Polizeiband abgesperrt gewesen. Er hatte ein paar Fotos geschossen und sich vorgenommen, die Namen der Bauarbeiter herauszufinden, die die Leiche entdeckt hatten. Sie zu befragen war schließlich nicht verboten. Die Spurensicherung würde ihn nie und nimmer in das Gebäude lassen, und der Tote war auch schon längst in die Rechtsmedizin abtransportiert worden. Details über Fundort und Aussehen der Leiche würde er also, wenn
überhaupt, höchstens von den Arbeitern der Abbruchfirma erfahren.
    Wenn er Glück hatte, konnte eine ganze Artikelserie daraus entstehen. Er war fest angestellt und hatte es nicht nötig, Zeilen zu schinden wie die freien Journalisten, aber dies war eine gute Möglichkeit, sein Profil in der Redaktion zu schärfen. Hampenmann hatte Ambitionen, aufzusteigen. Auch wenn der Chef nicht darüber redete, wusste es doch jeder. Und wenn der Hampelmann die Leiter nach oben fiel, musste ein neuer Redaktionsleiter her. Empfehlungen von Vorgesetzten in Bezug auf ihren Nachfolger waren da Gold wert.
    Tom schob seine Dauerkarte in das Lesegerät an der Einfahrt des Parkhauses. Es piepste und dann fuhr die Schranke nach oben. Die Typen von der Spurensicherung hatten ihn vorhin einfach ignoriert, und er hatte sich beherrschen müssen, seine Wut wegen ihres elitären Gehabes nicht zu zeigen. Stiller war erst kurz vor halb fünf aufgekreuzt und hatte auch nicht sofort Zeit für ihn gehabt, sich aber schließlich doch noch zu einem kurzen Gespräch mit Tom herabgelassen und ein paar Fragen beantwortet. Leider rückte er dabei nicht mit Details über den Zustand der Leiche, die mögliche Todesursache oder Vermutungen zum Tathergang heraus. Es gäbe noch keinen Bericht der Rechtsmedizin, daher wolle er sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.
    Insgesamt war das trotz allem jedenfalls mehr, als Lara je erreicht hätte. Tom wusste nicht genau, warum Stiller sich weigerte, mit seiner Kollegin zu reden, aber es passte ihm gut in den Kram.
    Die Zentralverriegelung klickte. Er machte sich auf den Weg in die Redaktion. Die kühle Luft im Treppenhaus trocknete die feinen Schweißperlen auf seiner Stirn, während er gemächlich nach oben stieg. Er würde zuerst die Fotos herunterladen und bearbeiten und danach den Artikel schreiben, damit dieser noch in die morgige Ausgabe kam. Lara durfte keine Chance haben, sich in diese Geschichte hineinzudrängen, auch wenn Gerichts- und
Kriminalberichte eigentlich zu ihrem Arbeitsbereich gehörten. Tom setzte in Gedanken ein »noch« hinzu. Voriges Jahr war es ihm fast gelungen, sie bei Hampelmann in ein schlechtes Licht zu rücken, aber die kleine Schlange hatte es verstanden, sich geschickt aus der Schlinge zu winden. Das hier war eine neue Chance, einen Fuß in die Tür zu kriegen.
    Und heute Abend würde er Isabell so richtig rannehmen. Das kleine Dummchen war ganz heiß auf ihn.
    Er war ganz in Gedanken und hatte das breite Grinsen noch im Gesicht, als er die Tür zu den Redaktionsräumen aufstieß und direkt vor Lara Birkenfeld stand. Seine unvermittelten Schuldgefühle beiseiteschiebend, registrierte er das rotgoldene Funkeln ihrer Haare und sah, dass ihre Augen sich ganz kurz verengten, bevor sie lächelte und »Hallo Tom!« sagte. Das Gefühl, ihr Blick brenne Löcher in seinen Hemdrücken, verstärkte sich auf dem Weg zu seinem Schreibtisch. Sein Computer summte bereits vor sich hin. Wahrscheinlich hatte wieder einer dieser Freien daran herumgepfuscht. Es war ein Kreuz, dass man hier seinen Rechner nie für sich hatte.
    Tom steckte die Kamera an und begann, Fotos auf die Festplatte zu kopieren. Ein Blick aus den Augenwinkeln bestätigte ihm, dass Lara noch immer am Kopierer stand und auf die herausgleitenden Blätter sah. Sie schien auf ihn gewartet zu haben. Genauso wie Isabell. Tom hörte das Klacken ihrer Absätze in der Küche. Jetzt kam die Praktikantin, einen Kaffeebecher in der Linken, herausstolziert, stakste heran und stellte die Tasse auf den Rand seines Schreibtisches.
    »Wie war’s?« Ihr Atem kitzelte seinen Nacken. Sämtliche Härchen an Toms Körper richteten sich auf. Isabell säuselte weiter. »Hast du alles erfahren, was du wolltest?«
    Und nicht nur

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