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Sensenmann

Sensenmann

Titel: Sensenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clausia Puhlfürst
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Fenstern wider. Niemand hatte auf sein Klingeln hin geöffnet, weder sie selbst noch irgendein Nachbar. Mark hatte ihr eine Visitenkarte mit der Bitte, sie möge ihn zurückrufen, in den Briefkasten gesteckt und sich entschieden, es für heute aufzugeben. Um sich abzulenken, würde er noch ein bisschen durch die Stadt bummeln. Vielleicht fand sich in den zahlreichen Boutiquen eine hübsche Kleinigkeit, um Annas Zorn zu besänftigen.
    Er schnallte sich an, startete den Motor und hielt dann inne. Einen letzten Anrufversuch auf ihrem Handy würde er noch unternehmen. Nur um sein Gewissen zu beruhigen. Er drückte die Wähltaste und betrachtete sein angespanntes Gesicht im Rückspiegel.

    »Hallo?« Eine aufgeregte Männerstimme.
    Mark nahm das Telefon vom Ohr und betrachtete verblüfft das Display, ehe er antwortete. »Hier ist Mark Grünthal. Ich wollte Maria Sandmann sprechen.«
    »Sind Sie der Psychofritze?«
    »Das könnte man so sagen. Und Sie?«
    »Schweizer, Frank Schweizer. Ich bin Mias Freund.«
    Psychofritze, hm? Sehr viel schien der Mann ja nicht gerade von seiner Tätigkeit zu halten. »Kann ich bitte mit Frau Sandmann sprechen?«
    »Im Moment ist es schlecht. Sie hat sich vor einer halben Stunde bei mir im Bad eingeschlossen und will nicht herauskommen.«
    »Wie ist es denn dazu gekommen?« Marks Alarmglocken begannen zu schrillen.
    »Das weiß ich nicht so genau. Zuerst kam sie zu mir und war völlig aufgelöst. Ich konnte jedoch nicht aus ihr herausbekommen, wieso. Nach einer Weile hat sie sich dann beruhigt, und wir haben einen Tee getrunken.« Der Mann machte eine kurze Pause und schien zu überlegen, ehe er mit leiserer Stimme fortsetzte: »Ich glaube, es war, weil ich sie küssen wollte. Als ich sie umarmt habe, hat sie angefangen zu toben, sich losgerissen und mich dabei angesehen, als sei ich der Teufel höchstpersönlich.« Frank Schweizer seufzte laut. »Und dann ist sie, wie gesagt, ins Bad geflüchtet und hat abgeriegelt.«
    »Wissen Sie, was sie da drin macht?«
    »Nein. Zuerst hat sie herumgeschrien, lauter unverständliches Zeug. Dann habe ich die Dusche gehört. Jetzt ist es schon seit zehn Minuten still. Ich weiß nicht, was ich machen soll.«
    »Ich komme zu Ihnen. Wo wohnen Sie?« Mark kritzelte die Adresse auf einen zerknitterten Parkschein und setzte hinzu: »Und jetzt brechen Sie die Tür auf, und zwar sofort! Ich bin gleich da.« Er wartete nicht, bis der andere aufgelegt hatte, sondern trat
aufs Gas. Der Motor heulte auf, und der Audi schoss mit quietschenden Reifen auf die Straße.
     
    »Herr Schweizer? Ich bin’s, Mark Grünthal.« Der Türsummer ertönte, und Mark eilte nach oben. Im zweiten Stock stand eine Wohnungstür halb offen, und er hastete hinein.
    Frank Schweizer war ein kleiner, dicklicher Mann mit schütter werdendem Haar. Er trug eine ausgewaschene Jeans und ein Poloshirt. Mit hängenden Schultern stand er in der Küche. Sein Robben-Schnauzbart zitterte leicht.
    »Grünthal.« Mark ergriff die ausgestreckte Hand. »Wo ist sie?«
    »Im Schlafzimmer.« Frank Schweizer deutete nach rechts und wischte sich dann den Schweiß von der Stirn. »Als ich die Badtür aufgebrochen habe, lag sie in der Wanne und hat an die Decke gestarrt. Ohne Wasser. Ich habe sie ins Bett gebracht.«
    »Alles klar. Ich gehe jetzt zu ihr. Sie können gern mitkommen, aber halten Sie sich bitte im Hintergrund.« Mark ging in die Richtung, in die Frank Schweizer eben gezeigt hatte, und öffnete behutsam die Tür. Maria Sandmann lag auf dem Bett, eine karierte Decke war über sie gebreitet. Im Näherkommen sah er, dass sie die Augen zwar geöffnet hatte, jedoch nicht reagierte. Auch als er sich leicht über sie beugte und sie ansprach, reagierte sie nicht. Ihre Gesichtszüge blieben starr und ausdruckslos. Sie atmete flach. Mark nahm ihre Hand, drückte sie und legte den gesamten Arm dann quer über den Bauch, wo er liegen blieb. Er würde ihre Handtasche durchsuchen müssen, glaubte aber nicht, dass sie Medikamente genommen hatte, die diesen Zustand hervorgerufen hatten. Dies hier war ein psychogener Stupor. Ein dramatisches Ereignis hatte ihr Innenleben so durcheinandergebracht, dass sie sich zum Schutz in diesen Zustand geflüchtet hatte. Mark machte Frank Schweizer ein Zeichen, ihm zu folgen, und ging zurück in die Küche.

    »Was hat sie?« Der schnauzbärtige Mann griff nach einer halbvollen Teetasse, die auf dem Tisch stand.
    »Man nennt es Stupor. Das ist ein Zustand des Körpers, der durch

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