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Sensenmann

Sensenmann

Titel: Sensenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clausia Puhlfürst
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Wen hatte die Heimleiterin außer der Schwester von Sebastians Freund noch alles im Geheimen gequält  – seine Mandy, die kleine Melissa? Und würde sie einfach so mit den Informationen herausrücken? Wahrscheinlich nicht freiwillig.
    Matthias Hase rief sich seine Maxime ins Gedächtnis: die Peiniger mit den gleichen Methoden konfrontieren, die sie selbst angewendet hatten. Die Sagorski würde schon reden, wenn sie echte Schmerzen litt. Besser jedoch, er besuchte sie nicht noch einmal bei sich zu Hause. Womöglich hatte ihn bei seiner Stippvisite letztes Wochenende jemand beobachtet und erkannte ihn nun wieder oder erinnerte sich an das Autokennzeichen. Das war viel zu gefährlich. Es gab nur zwei Möglichkeiten. Entweder tauchte er dort in einer erstklassigen Verkleidung auf, das Auto weit entfernt geparkt, oder er lockte sie unter einem Vorwand zu einem Ort, an dem er sie ungestört »befragen« konnte.
    Ein weiterer Besuch bei der ehemaligen Heimleiterin zu Hause brachte zu viele unkalkulierbare Risiken mit sich. Weder kannte Matthias das Innere ihres Hauses, noch wusste er, ob es andere Familienmitglieder gab, die dort ein und aus gingen, noch, was die Nachbarn den ganzen Tag trieben. Es war auch nicht anzunehmen,
dass die Sagorski einen »anderen« Fremden freudestrahlend hereinbitten würde, nachdem sie ihn gestern so harsch abgewiesen hatte. Er schüttelte, ohne es zu merken, den Kopf. Nein, er würde die Frau aus ihrer Festung herausholen müssen. Die Frage war nur: Mit welchem Köder?
    Matthias Hase drückte den Rücken durch, streckte die Arme nach oben und dehnte sich. Er würde noch ein bisschen darüber nachdenken.
    Laut Anklage hat sich der Arzt Doktor S. zwischen April 2005 und Juni 2009 an dreizehn Mädchen im Alter von zehn bis zwölf Jahren vergangen und dabei unter anderem in seinem Büro Scheinuntersuchungen für eine angebliche Studie über Bronchialasthma im Kindesalter in Deutschland vorgenommen. Er wurde außerdem wegen des Erwerbs und Besitzes von Kinderpornos angeklagt. Zudem filmte er selbst mehrere Taten mit versteckter Kamera. Er missbrauchte auch Kinder befreundeter Familien bei gemeinsamen Ausflügen oder im Schwimmbad.
    Der Beschuldigte hat 17 Jahre als Anästhesist in der Klinik gearbeitet und galt unter den 1000 Beschäftigten als tadelloser Mitarbeiter.
    Lara nahm die Finger von den Tasten und las das Geschriebene. Sie musste sich konzentrieren, um einen sachlichen Ton zu finden. Persönliche Ressentiments waren bei Gerichtsreportagen unangemessen.
    Dr. Joachim S. hat die Taten gestanden. Die Staatsanwaltschaft hatte für den Mann eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren gefordert, da er als Arzt seine besondere berufliche Stellung ausgenutzt habe. Der vorsitzende Richter folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft und verhängte zusätzlich ein
dreijähriges Berufsverbot. Der Verteidiger hatte dagegen auf eine Bewährungsstrafe plädiert, da sein Mandant vorhabe, eine Therapie anzutreten. Er will daher nun eine mögliche Revision prüfen.
    »Hallo! Du bist ja noch da!« Lara brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass Jo hereingekommen war. Der Fotograf ging zu Toms Platz, legte seine Ausrüstung auf dessen Schreibtisch und zog sich den Stuhl heran.
    »Ich habe gerade den Artikel über den Schwärzlich-Prozess fertig geschrieben. Heute war die Urteilsverkündung, und er soll morgen schon erscheinen. Wir saßen bis nach sechs im Gericht. Und du?«
    »Ich muss noch ein paar Bilder auf den Server laden. Morgen bin ich den ganzen Tag unterwegs.« Jo stöpselte seine Kamera an Toms Computer. »Die anderen sind wohl alle schon weg?«
    »Nur Hubert ist noch da.« Lara zeigte auf die Tür zum Nachbarraum. »Der hat Spätdienst. In einer Viertelstunde machen wir aber Schluss für heute.«
    »Ich brauche auch nur fünf Minuten.« Konzentriert tippte Jo Befehle in die Tastatur.
    Lara las noch einmal den gesamten Artikel und fügte zwei Absätze ein, damit es passte. Dann speicherte sie und schickte alles ab. »Das hätten wir.«
    Wie auf ein Zeichen erschien Hubert in der Zwischentür und schaltete das Licht im Nachbarraum aus.
    »Wollen wir noch etwas essen gehen?« Jo zog das Kabel ab und verstaute seine Kamera im Lederbehälter.
    »Ich war zwar vorhin schon mit einem Kollegen von der Tagespost und einer Frau vom Jugendamt im Stadtcafé, aber gegessen haben wir da nichts.« Jetzt erst spürte Lara ihren leeren Magen. Sie dachte kurz an die blonde Frau. Maria Sandmann. Sie können mich

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