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Sensenmann

Sensenmann

Titel: Sensenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clausia Puhlfürst
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nervst du mich schon wieder. Das geht so nicht weiter.
    Du hättest dich zusammennehmen können. Muss man denn gleich Fremde einweihen?
    Mia schüttelte den Kopf und zog die Decke über die Beine. Vor ihr flimmerte stumm der Fernseher. Jetzt debattierte die Stimme in ihrem Kopf schon seit Stunden unentwegt mit ihr, bloß weil sie es gewagt hatte, die nette Journalistin anzusprechen. Lara Birkenfeld war ihr schon beim letzten Mal einfühlsam und hilfsbereit vorgekommen, ganz im Gegensatz zu ihrem Kollegen, der sie so offensichtlich angebaggert hatte.
    Du kennst diese Frau doch kaum!
    »Ja, aber… Ich hab ihr doch auch gar keine Einzelheiten genannt!
« Mia schlug die Handfläche vor den Mund und presste die Lippen zusammen. Nun redete sie schon laut mit sich selbst. Bisher waren es immer nur innere Dispute gewesen. Sie angelte nach der Fernbedienung und drückte auf die »Mute«-Taste. Der Nachrichtensprecher gab seine Pantomime auf und berichtete etwas von Terrorgefahr.
    Wenn du denkst, dass mich das zum Schweigen bringt, hast du dich aber geschnitten! Mia stöhnte, warf die Fernbedienung neben sich auf das Sofa und presste die Hände an die Ohren. Was zu viel war, war zu viel. Das musste aufhören. Sie wollte diese unsäglichen Rückblicke und dieses ständige Gewisper in ihrem Kopf loswerden. Sie wollte ihr ganz normales Maria-Sandmann-Leben zurück und einfach wieder funktionieren wie zu der Zeit, bevor die ganzen Flashbacks begonnen hatten. Und wer konnte ihr besser dabei helfen als ein ausgebildeter Therapeut?
    Ein Psychiater? Ein Hirnklempner!
    »Na und?« Die innere Stimme war heute besonders penetrant. Mia sah sich im Wohnzimmer um. Die Fenster waren geschlossen, die Vorhänge zugezogen. Niemand außer dem biederen Nachrichtenmann konnte hören, wie sie  – eine Frau von über vierzig  – mit sich selbst redete. Sie betrachtete den Zettel, den die nette Journalistin ihr gegeben hatte. Mark Grünthal hieß der Arzt. Die Telefonnummer hatte eine Berliner Vorwahl.
    Untersteh dich!
    »Halt’s Maul!« Mia musste kichern. Kraftausdrücke waren sonst gar nicht ihre Sache. Aber dieses ständige Insistieren nervte enorm. »Das entscheide ich immer noch selbst!«
    Wenn du dich da mal nicht irrst. Jetzt kicherte es auch in Mias Kopf, und sie strampelte die Decke von den Füßen und sprang auf. Das musste sofort aufhören. Ohne die Pantoletten anzuziehen, marschierte sie in die Küche.
    Die Weinflasche wartete fein säuberlich verkorkt im Kühlschrank. Mit dünnem Strahl floss die rubinrote Flüssigkeit in
das bauchige Glas. Es roch ganz schwach nach Brombeeren. Die Stimme schwieg. Vielleicht schnüffelte sie auch gerade das schwere Aroma des Rotweins. Im Hintergrund zerhackte die große runde Küchenuhr die Zeit in gleichmäßige Abschnitte . Fünf  – vor  – zehn .
    Viel zu spät, um den Therapeuten heute noch anzurufen. Aber morgen Früh würde sie gleich nach dem Aufstehen zum Hörer greifen. Mia Sandmann tappte zurück in ihr Wohnzimmer, bemüht, nichts zu verschütten. Ihre Hände zitterten. Nur ein kleines bisschen. Aber das Geschwafel im Kopf hatte aufgehört. Endlich. Sie seufzte, stellte das Glas auf den Couchtisch und kuschelte sich wieder in ihre Sofaecke.
     
    »Wie sieht’s denn hier aus, ihr Schlampen?« Die Mädchen zuckten alle gleichzeitig zusammen. Karli ließ ihr Buch fallen und Sandra und Kerstin drängten sich enger hinter die halb geöffnete Schranktür. Nur die dicke Susi bewegte keinen Muskel. Ihre Schürze über dem Arm, stand sie neben dem ersten Doppelstockbett und wartete scheinbar gelassen auf das, was geschehen würde.
    »Das ist vielleicht ein Saustall! Dass ihr nie von allein darauf kommt aufzuräumen!« Die Gurich hatte die Hände in die Seiten gestemmt und betrachtete die Mädchen mit finsterem Blick. Keines von ihnen wagte es, ihr zu antworten. Es hätte auch nichts genützt. Miss Piggy war übel gelaunt. Die Kinder wussten vorher nie, wann die Erzieherin wieder einen ihrer Anfälle haben würde. Es war nicht vorhersehbar. Das Einzige, was darauf hindeutete, waren ihre Mundwinkel, die noch stärker herabhingen als sonst. Aber dann war es meistens schon zu spät. Oft tauchte sie wie ein Racheengel unverhofft auf und schikanierte jeden, der ihr gerade über den Weg lief. Heute schien sie es auf die Mädchen abgesehen zu haben. »Ich gebe euch genau zehn Minuten. Dann komme ich zur Kontrolle. Und gnade euch Gott, ich finde
noch ein Stäubchen!« Mia konnte spüren, wie

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