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Sensenmann

Sensenmann

Titel: Sensenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clausia Puhlfürst
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Mia nennen.

    »Also gut. Wenn es nicht zu spät wird …«
    »Wir müssen doch nicht bis Mitternacht da sitzen.« Jo erhob sich. »Kommst du auch mit?« Hubert, der wartend in der Tür stand, schüttelte mürrisch den Kopf. Lara warf eilig ihre Sachen in die Handtasche und folgte Jo.
     
    »Tschüss, Lara! Komm gut nach Hause!« Jo zwinkerte ihr zu.
    »Soll ich dich ein Stückchen mitnehmen?« Lara kramte nach ihrem Autoschlüssel.
    »Nein, das brauchst du nicht. Ich gehe zu Fuß, genieße die Nachtluft und bewundere den Mond.« Jo zeigte nach oben in den Himmel. »Bis Mittwoch. War ein netter Abend.«
    »Finde ich auch. Bis dann.« Lara sah zu, wie der Fotograf sich umdrehte und davonschlenderte. Die Jacke hatte er locker über die Schulter gehängt. Sie mochte es, dass er sie nicht so offensichtlich anbaggerte, sondern sein Interesse nur verhalten zeigte. Vielleicht täuschte sie sich aber auch, und er hatte gar kein Interesse an ihr, sondern fand sie nur nett. Das würde sich zeigen.
    Es war erst halb zwölf, und die Stadt schien schon zu schlafen. Die Ampeln waren abgeschaltet, keine Fußgänger mehr zu sehen. Statt der üblichen Viertelstunde brauchte Lara nur wenige Minuten bis nach Hause. Ihre Gedanken kreisten um den pädophilen Arzt. Hoffentlich bekam der Verteidiger seine Revision nicht durch. Ihrer Meinung nach konnte man solche Typen nicht therapieren, oft gelang es ihnen jedoch, Behandlungserfolge vorzutäuschen. Viele dieser Straftäter waren manipulativ und sehr geschickt im Beeinflussen von Menschen.
    Sie parkte ihr Auto ein und dachte im Treppenhaus über die Strategie des Verteidigers nach. Was brachte einen Rechtsanwalt überhaupt dazu, einen solchen Menschen zu vertreten? In dem Fall von Doktor Schwärzlich konnte der Verteidiger wohl kaum an dessen Unschuld glauben, zumal dieser einige Taten gestanden hatte. Wahrscheinlich war es Geltungssucht,
denn ein Prozess dieser Größenordnung brachte immer reichlich Medieninteresse und Berichterstattung mit sich, sodass sich ein Strafverteidiger schnell einen Namen machen konnte. Nur was für einen Namen machte man sich damit? Lara schloss ihre Wohnungstür auf und schleuderte die Schuhe von den Füßen. Es war ein langer, aufregender Tag gewesen und doch war sie noch nicht müde. Sie beschloss, noch ein bisschen fernzusehen, um sich zu entspannen, bevor sie ins Bett ging.
     
    Wer von euch Schlampen schmeißt seine benutzten Taschentücher einfach so auf den Boden?
    Lara fuhr mit einem Aufschrei hoch und blickte sich mit weit aufgerissenen Augen um. Im Schlafzimmer war niemand. Leise knarrte das geöffnete Holzfenster. Davor raschelte der Apfelbaum leise mit den Blättern. Auf ihrer Stirn trockneten feine Schweißperlen. Ihr Herz klopfte gehetzt. Die herrische Frauenstimme hatte direkt neben ihrem Ohr gesprochen. Sie schob die Decke beiseite, schwang die Beine aus dem Bett und ging langsam zum Fenster. Die Straße lag friedlich im hellen Schein des Mondlichts, die kühle Luft beruhigte sie ein wenig. Der Vollmond schwebte wie ein schimmernder gelber Ballon über den Dächern.
    So, da wären wir. Wenn ich dich wieder abhole, kannst du mir sagen, ob du etwas dazugelernt hast. Eine Tür fiel mit einem Krachen ins Schloss.
    Lara zwinkerte mehrmals. Sie drehte sich um. Ihre Schlafzimmertür war zu. Sie war die ganze Zeit geschlossen gewesen, seit sie zu Bett gegangen war. Niemand hatte sie geöffnet, und niemand hatte sie zufallen lassen. Die barsche Frauenstimme und die Begleitgeräusche waren Halluzinationen, Täuschungen ihrer überreizten Psyche, Traumbilder.
    Und wenn es wieder ein Gesicht ist?
    Lara wischte sich mit dem Unterarm über die Stirn. Genau so
hatte es auch vor einem Jahr angefangen, als sie nachts von den Frauen geträumt hatte, die Martin Mühlmann  – das Ungeheuer  – durch den Wald gehetzt hatte. Und am Schluss war sie selbst von ihm gejagt worden.
    Diese Gesichte hatten etwas zu bedeuten, so viel war sicher. Wenn sie nur wüsste, was.
    Sie schloss das Fenster, tappte zu ihrem Bett und kuschelte sich unter die Decke.
    Morgen früh würde sie Mark anrufen. Vielleicht gab es eine Möglichkeit, die Albträume abzustellen. Mit diesem Gedanken kehrte Lara zurück in das Reich der Träume.

22
    War das nötig, Weichei?
    Ich wusste doch keinen anderen Ausweg. Mia Sandmann drückte mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel zusammen. Angeblich ein Akupressurgriff, der Kopfschmerzen verscheuchen sollte. Bei ihr half es nicht viel. Was

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