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Sensenmann

Sensenmann

Titel: Sensenmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clausia Puhlfürst
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untersagt.«
    Das war ja interessant. Berufsverbot, wenn auch nur für drei Jahre. Das hatten sie selten. Lara kritzelte die letzten Sätze im Telegrammstil auf ihren Block. Der Richter näherte sich unterdessen den üblichen Schlussfloskeln. Der Geräuschpegel im Gerichtssaal nahm zu. Vor Lara neigten zwei Frauen die Köpfe zueinander und begannen zu tuscheln. Das abschließende Geschehen war immer das gleiche und schnell beendet.
    In einer Wellenbewegung erhoben sich die Zuhörer, um zu sehen, wie der Angeklagte hinausgeführt wurde. Sein Verteidiger begleitete ihn nicht, sondern ordnete stattdessen langsam, fast phlegmatisch, seine Unterlagen. Wahrscheinlich wollte er sich damit noch einen Moment sammeln, bevor er ins Getümmel vor dem Gerichtssaal treten musste. Da er eine Bewährungsstrafe gefordert hatte, konnte es gut sein, dass er nach Rücksprache mit seinem Mandanten in Berufung gehen würde. Lara erhob sich. Frank war ebenfalls aufgestanden. »Trinken wir gemeinsam noch irgendwo einen Espresso zum Abschluss, oder musst du gleich in die Redaktion?«
    »Nicht sofort.« Lara sah zur Uhr und nickte. »Eine halbe Stunde ist noch drin.« Sie würde danach noch genug Zeit haben, ihren vorbereiteten Artikel rechtzeitig für die morgige Ausgabe fertig zu schreiben. Und die Aussicht, den Fall abschließend mit einem Kollegen zu diskutieren, gefiel ihr.
    »Kommen Sie auch mit?« Frank wandte sich zu seiner Nachbarin, die unschlüssig in der Bankreihe stand. Ihre Arme hingen kraftlos herunter, die Finger hatte sie noch immer fest ineinanderverschlungen. »Ich weiß nicht recht.« An ihrer Körpersprache konnte man sehen, dass sie gern mitgekommen wäre, sich jedoch nicht traute.

    »Wir trinken etwas und reden ein bisschen.« Frank berührte Frau Sandmann am Arm, und diese erwachte aus ihrer Starre. »Na gut. Wenn es nicht so lange dauert.« Dabei sah sie Lara an. In ihren Augen flackerte es kurz, dann verschleierten sie sich wieder.
     
    »Es ist ja nicht so, dass er nicht wusste, was er tat. Der Mann hat zudem seine berufliche Stellung ausgenutzt.« Frank kniff die Augen zusammen. »Ein Klinikarzt, der bis zu sechshundert Kinder jährlich betreut hat! Ich möchte nicht wissen, wie viele Missbrauchsfälle es tatsächlich waren. Diese Typen geben doch nur zu, was man ihnen exakt nachweisen kann!«
    »Das könnte sein.« Lara betrachtete die beiden vertikalen Falten über Franks Nasenwurzel. Im Hintergrund blubberte die Espressomaschine. »Es bringt aber nichts, im Nachhinein Verdächtigungen auszusprechen. Er hat gestanden, dreizehn Mädchen unsittlich berührt und gestreichelt zu haben. Und zwar von April 2005 bis Sommer 2009. Und dafür wurde er heute verurteilt.«
    »Davor war also nichts?« Frank presste die Lippen aufeinander. »Und  – wäre er nicht 2009 in Untersuchungshaft gekommen, was glaubst du, wie es weitergegangen wäre?«
    »Hätte und wenn, das sind doch müßige Diskussionen, Frank. Ich denke auch, dass dieser Arzt nicht einfach aufgehört hätte, aber wollen wir es nicht dabei bewenden lassen, dass er nun rechtskräftig verurteilt ist? Was meinen Sie dazu?«
    Frau Sandmann, die eben noch abwesend Krümel von der Tischdecke gewischt hatte, sah hoch. In ihren hellen Augen lag Schmerz. »Sie haben beide recht. Letztendlich ist es auch egal. Die Strafe kann das Geschehene nicht wiedergutmachen.«
    »Aber ist es nicht für die Familien der Opfer eine Genugtuung, dass der Mann eine Haftstrafe und nicht nur Bewährung bekommen hat?«
    »Für die Eltern vielleicht. Obwohl sie sich ein höheres Strafmaß
erhofft hatten. Für die Mädchen jedoch ist es völlig gleichgültig, wie lange Doktor Schwärzlich im Gefängnis sitzt. Einen Missbrauch kann man nicht ungeschehen machen. So etwas begleitet einen ein Leben lang. Manche der Mädchen waren gerade erst zehn.« Frau Sandmann griff nach der Wasserflasche und schenkte sich nach. Ihre Hände zitterten. »Außerdem habe ich das Gefühl, dass der Verteidiger in Revision gehen will. Dann wird das alles wieder und wieder aufgewühlt.«
    »Das stimmt auch wieder.« Frank kratzte sich hinter dem Ohr. »Werden die Familien und vor allem die Opfer psychologisch betreut?«
    »Ja. Allerdings nicht alle. Die Entscheidung darüber liegt bei den Eltern. Wir können nur Angebote machen. Manche von ihnen denken, dass es das Beste ist, wenn ihre Kinder das Ganze schnell vergessen. Man kann ihnen keine Therapie aufzwingen.«
    »Ein Freund von mir arbeitet auch als

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