Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
sich an das ungeschriebene Gesetz, Laurussia niemals zu betreten, um keine Invasion der Opreju zu provozieren. Und nun gibt es hier gar keine! Ich frage mich, ob wir wirklich die ersten sind, die das herausfinden. Ich kann es nicht glauben.“
„Antworten weiß mit Sicherheit unsere Gastgeberin“, meinte Luke. „Gedulden wir uns einfach bis heute Abend.“
„Avalea.“ Krister wiederholte den Namen einige Male im Geiste. Dann fasste er einen Entschluss. „Ich werde mich ein wenig hier umsehen“, verkündete er. „Mir steht nicht der Sinn danach, herumzusitzen und auf den Abend zu warten.“
„Wohin gehst du?“
„Mir ein eigenes Bild von Hyperion machen.“ In Kristers Augen lag etwas, das Luke zu verstehen gab, ihn alleine ziehen zu lassen. Als er die Türe hinter sich zuzog, waren wir drei zum ersten Mal seit wir Stoney Creek verlassen hatten, wieder komplett voneinander getrennt.
11 AVALEA
Krister wanderte viele Stunden durch die Ruinenstadt, Antworten auf seine Fragen fand er nicht.
Hyperion befand sich in einem fortgeschrittenen Stadium des Zerfalls. Vor allem die höher gelegenen Teile, die Wind und Wetter stärker ausgeliefert waren, zeugten vom unabwendbaren Verschwinden der Stadt. Manche Viertel waren vollkommen vergangen, vom Wind abgetragen, vom Regen fortgewaschen. Die ausnahmslos in sich zusammengestürzten Häuser waren als solche fast nicht mehr zu erkennen, die ehemaligen Plätze, Straßen und Gassen von der Natur zurückerobert. Mächtige Bäume ragten aus alten Kellern. Schlingpflanzen rankten von Ruine zu Ruine. Dorngebüsche und Sträucher überwucherten Schutt und Geröll. Moose, Gräser und Kräuter bildeten neuen Straßenbelag. Kein Mensch zeigte sich.
Je weiter Krister nach Nordosten vorankam, in die Stadtteile, welche in den blanken Fels hineingebaut worden waren, desto mehr übernahm die Natur das Regiment. Schließlich blieb er resignierend stehen. Weitergehen machte keinen Sinn mehr. Was auch immer er erwartet hatte, nichts von dem was er sah, trug dazu bei, Klarheit welcher Art auch immer zu schaffen. Im Gegenteil. Es schien alles komplizierter und undurchschaubarer geworden zu sein. Der beklemmend kalte Atem der verwesenden Stadt berührte ihn noch stärker, jetzt wo ihm das Ausmaß der ganzen Zerstörung ins Bewusstsein kroch.
Wie konnten Menschen nur hier leben wollen? Sie mussten doch wissen, dass nur wenige Tagesmärsche von hier, auf der anderen Seite des Skelettflusses, ein gastliches Land lag, in dem es sich zu leben lohnte. Nicht hier, in den Trümmern einer vergangenen Stadt. Nicht in den Überresten des vom Krieg zerstörten Relikts einer untergegangenen Epoche. Welche Aussichten für die Kinder, die hier aufwuchsen!
Krister bemerkte plötzlich, noch kein einziges Kind gesehen zu haben. Das musste jedoch nichts bedeuten, immerhin sah es so aus, als wäre nur noch ein kleiner Teil im Westen Hyperions bewohnt, der allem Anschein nach den Namen Basturin trug. Womöglich eröffnete sich von dort aus ein unkomplizierter Zugang zur See. In Basturin lebte offenbar das Gros der Bevölkerung, was auch Sinn machte. Die Versorgung der Siedlung musste wohl oder übel vom Meer her kommen. Felder oder Äcker waren weit und breit nicht in Sicht. Der felsige Boden ließ diese Art der Nahrungserwirtschaftung auch gar nicht zu. Die Menschen hier hingen vermutlich vollständig vom Fischfang ab. Boote aber waren ebenfalls nicht zu sehen, und wenn, wären sie ihm bereits gestern mit Sicherheit aufgefallen und ein erster Beweis für die Anwesenheit von Menschen gewesen. Vielleicht befanden sich die Fanggründe außerhalb jeder Sichtweite? Denkbar auch, dass sich die Menschen Hyperions vollkommen anders ernährten als es in Aotearoa der Fall war. Möglicherweise lehnten sie Fisch an sich ab. Was wusste er schon von den Lebensgewohnheiten eines ihm fremdartig anmutenden Volkes?
Ein Geräusch zur Linken riss Krister aus seinem Gedankenspiel. Er wandte sich um. Es hatte sich deutlich nach dem Knirschen von Sand unter besohlten Füßen angehört. Aber da war nichts. Jedenfalls nichts Beunruhigendes. Er befand sich in unmittelbarer Nähe eines komplett zerstörten Gebäudes, das vermutlich einst einem Brand zum Opfer gefallen war. Geschwärzte Grundmauern ragten noch empor, die einem erwachsenen Mann gerade bis zur Brust reichten. Keine Spur mehr von Dachgebälk. Vermutlich hatte das verkohlte Holz irgendwann in kühler Winternacht Verwendung für ein wärmendes Feuer
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