Sentry - Die Jack Schilt Saga: Die Abenteuer des Jack Schilt (German Edition)
Entschluss, das einzig Realisierbare zu wagen: ans Nordufer zu schwimmen. Die Entfernung war kaum einschätzbar, doch stellte es die einzige Möglichkeit dar, mich dem Zugriff der Opreju zu entziehen. Ihnen blieb nur die Option, mich nicht aus den Augen zu verlieren. Verharrten sie, wo sie waren, standen meine Chancen nicht schlecht. Doch damit durfte ich gar nicht erst rechnen. Natürlich errieten sie mein Vorhaben und würden versuchen, die Nordseite des Sees zu erreichen, um mich dort abzupassen. Dazu allerdings mussten sie erst einmal die ausgedehnte Landzunge umrunden, die sich wie ein Keil in das Gewässer schob und sie zwang, sich weit von mir zu entfernen. Durchaus möglich, dass sie mich dann aus den Augen verloren, was die Aussichten auf erfolgreiche Flucht vergrößerte. Wie viel Zeit blieb? Wie lange würden die Giganten benötigen, das Nordufer zu erreichen? Ich fing an zu schwimmen und wagte nicht daran zu denken, wie flink meine Gegner auf den Beinen waren.
Es dauerte lange, bis ich einen geeigneten Rhythmus gefunden hatte, nicht zu schnell, um vorzeitiger Erlahmung vorzubeugen, aber auch nicht zu langsam. Schließlich musste ich irgendwann ankommen, je eher desto besser.
Die Zeit verstrich. Meine Beine wurden schwerer und schwerer, füllten sich unaufhaltsam mit tückischem Blei. Die Muskulatur der Arme übersäuerte und begann zu schmerzen. Hin und wieder warf ich einen Blick zurück, doch die Einzelheiten verschwammen, zu weit hatte ich mich bereits vom Ufer entfernt.
Von den Opreju war nichts mehr zu sehen. Was auch immer sie taten, wo auch immer sie sich jetzt befanden, es durfte mich nicht interessieren. Ich musste mich voll und ganz darauf konzentrieren, nicht abzusaufen, mein Ziel zu erreichen, ganz egal, ob es sich dann als sicher herausstellte oder nicht. Mein Körper funktionierte nur noch völlig mechanisch. Regelmäßig das Tempo drosselnd versuchte ich einen neuen Takt zu finden, die ermattenden Bewegungen zu koordinieren und so gut wie möglich aufeinander abzustimmen. Für gewisse Zeit fürchtete ich den Tod durch Ertrinken mehr als die Opreju.
Das rettende Ufer rückte nur äußerst zögerlich in Sichtweite. Irgendwann machte ich endlich Einzelheiten aus. Meterhoher, goldgelber Schilf, der sich im Wind wiegte und jeden Blick darüber hinaus verwehrte. Durchaus möglich, dazwischen Zuflucht zu suchen und den suchenden Blicken meiner Verfolger zu entgehen... verdammt, wie viel Zeit war verronnen? Wie lange schwamm ich schon? Die Xyn steuerte ihr letztes Drittel auf dem Weg in den Zenit an. Konnte es möglich sein, dass ich schon mehr als zwei Stunden durch diesen See paddelte?
An einer besonders undurchdringlichen Stelle erreichte ich den dichten Schilfgürtel und verfing mich mit allen Gliedmaßen in glitschigem Pflanzenmaterial, welches auf oder dicht unter der Wasseroberfläche trieb. Völlig entkräftet stellte ich jede Bewegung ein und kam inmitten des Schilfs zur Ruhe, das mir genügend Auftrieb schenkte. Es dauerte eine weitere Ewigkeit, bis ich meinen Atem wieder unter Kontrolle bekam und einigermaßen geräuschlos Luft einsog. Ich ließ viele Minuten verstreichen, lauschend, alle Sinne anspannend. Schrittweise wärmte die Xyn meinen ausgekühlten Körper wieder auf, erholte ich mich von den Strapazen der letzten Stunden. Wie ein verendendes Tier trieb ich halb versunken zwischen den Schilfrohren, keine Bewegung wagend, nur daliegend und horchend.
Wo waren die Opreju?
Hatten sie aufgegeben?
War ich ihnen tatsächlich entkommen?
Ich wollte es noch nicht glauben. Die Vorstellung, mich durch das Schilf hindurch zum Ufer durchzuarbeiten, trieb eine Gänsehaut über den gesamten Körper. Intuitiv wertete ich es als Warnsignal und verharrte weiterhin. Lange Minuten verstrichen. Ein vorwitziges Fischlein begann an meinem Bauch zu knabbern. Hielt es mich schon für Futter? Ich ließ es gewähren, gänzlich unentschlossen, was als nächstes zu tun sei.
Irgendwann nahm ich Geräusche zur Linken wahr. Leises Plätschern. Nicht sehr weit entfernt. Als stapfte irgendetwas in unmittelbarer Nähe durch die Ufervegetation. Vorsichtig wandte ich meinen Kopf in diese Richtung. Schilf und abermals Schilf, der sanft im leichten Wellengang des Triassischen Sees wog. Mit optischen Sinnen kam ich hier nicht weit. Also schloss ich ergeben die Augen und verließ mich voll und ganz auf mein Gehör.
Da war es wieder.
Ich visualisierte die aufgenommenen Reize. Etwas stelzte durch das Schilf. Auf
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